Die stärkste Waffe
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Die stärkste Waffe




Wie können Mitglieder einer christlichen Gemeinde in einer christusfeindlichen Diktatur ihren Glauben ausleben?

Mit den islamistischen Terroranschlägen vom 13. November 2015 in Paris scheint sich eine neue Zeit anzukündigenden und es wird langsam klar, wie der IS seine Drohung, den islamistischen Glaubenskrieg nach Europa zu bringen, verwirklichen könnte.

Angesichts dessen stellt sich die Frage, wie z. B. Christen in der sozialistischen Diktatur der DDR an ihrem Glauben festhalten und dies auch gegenüber den Mächtigen in diesem Staat, vom Stasispitzel über den Bürgermeister bis zum Verhörspezialisten des Ministeriums für Staatssicherheit, vertreten konnten.

Es geht in diesem Beitrag um den Glauben an Gott, das Festhalten am Wort der Bibel auf der einen und der psychologisch-raffinierten oder auch brutalen Macht der Stasi auf der anderen Seite.

1. Die Zersetzung einer Gruppe

In den 40er Jahren der DDR waren nicht alle Christen standhaft. Viele haben in der Auseinandersetzung mit der Staatsmacht an ihrem Glauben festgehalten, andere sind zurückgewichen. Woran lag es, dass in dem einen Fall der Glaube siegte, in dem anderen nicht?

Holger Richter beschreibt in seinem Buch über die Operative Psychologie des Ministeriums für Staatssicherheit, wie eine Christin durch Agentenführer des MfS von ihrem Mann und ihrem Hauskreis isoliert und aus der christlichen Gemeinschaft herausgebrochen wurde. (1)

Diese Vorgehensweise nannte die Stasi übrigens eine „Differenzierungsmaßnahme“. Sie unterschied zwischen „harten“ Feinden und sog. „rückgewinnbaren“ Personen einer Gruppe. Mit Hilfe solcher Differenzierungsmaßnahmen sollten einzelne Mitglieder der Gruppe  einander entfremdet und isoliert werden. (2) Dies wurde dadurch angestrebt, dass die Gruppenmitglieder und die Beziehungen zueinander analysiert und Antipathiebeziehungen der Gruppenmitglieder aufgeklärt wurden. Diese Antipathiebeziehungen wurden zum Schüren von Konflikten in der  Gruppe genutzt, um so letztlich ihre Zersetzung  zu erreichen. (3) Zu diesem Zweck wurden auch wissenschaftliche Analysen der Sozialpsychologie zur Zerstörung sozialer Beziehungen genutzt. (4)

Holger Richter schildert anhand einer Diplomarbeit für die Juristische Hochschule (JHS) des MfS, wie die Zersetzung eines sog. „christlichen Arbeitskreises“ vorangetrieben wurde. (5) Die Stasi hatte in dieser christlichen Gruppe einen IM (Inoffizieller Mitarbeiter) mit dem Decknamen „Karin“. Wie „Karin“ dazu gebracht wurde, als Spitzel in ihrer christlichen Gruppe zu arbeiten, geht aus dieser Schilderung nicht hervor. Es wird aber erläutert, wie „Karin“ vom MfS politisch-ideologisch erzogen ,wie ihr ein Feindbild in Bezug auf die anderen Gruppenmitglieder vermittelt  und wie ein Vertrauensverhältnis zu ihrem Führungsoffizier geschaffen wurde. (6)

Voraussetzung für die Herstellung dieses Vertrauensverhältnisses scheint eine Beeinträchtigung des Verhältnisses zu ihrem Ehemann gewesen zu sein. Dieses Verhältnis verschlechterte sich wahrscheinlich noch, als ein gemeinsames Kind starb. Aber um den Keil endgültig in das Familienverhältnis hineinzutreiben, ließ sich die Stasi noch einiges einfallen.

Holger Richter schreibt dazu: „Nach dem Todesfall eines Kindes der IM bat sie von selbst um weitere Gespräche mit dem Führungsoffizier, da sich offenbar eine persönliche Bindung hergestellt hatte. Sie adoptierte unter Vermittlung des MfS ein Neugeborenes, wurde bei arbeitsrechtlichen Problemen vom MfS beraten, nach der Scheidung wurde kurzfristig ein Urlaubsplatz verschafft und vom MfS bezahlt, sie wurde bei der Klärung ihres Wohnungsproblems unterstützt, ein IM wurde für die Betreuung des Kleinkindes der IM geworben. Dies alles führte zum Aufbau des „Vertrauensverhältnisses“.“ (7)

Im Ergebnis erfuhren die Stasi-Mitarbeiter oft eher oder umfangreicher als ihr Ehemann von „Karins“ Problemen. (8) Holger Richter weiter:

„Bewährtes Vorgehen bei der Auftragserteilung sei gewesen, dass sich die IM als anerkannte Gesprächspartnerin fühlte und nicht als „geführtes Werkzeug“, was ihre Motivation hob. „Karins“ Zusammenarbeit sei eine Selbstbestätigung für sie, sie sei auf gute Erfahrungen mit den Führungsoffizieren zurückzuführen und nicht politisch motiviert.“ (9)

Dies alles fällt unter die Rubrik „Schaffung eines Vertrauensverhältnisses“. Daneben war es der Stasi wichtig, der IM ein Feindbild zu vermitteln und sie dazu zu bringen, dass sie die Mitglieder des „christlichen Arbeitskreises“ als Gegner ansah. Holger Richter erläutert dies wieder am Beispiel der IM „Karin“:

„Ausgezeichnet bewährt habe sich das ´Einstreuen` von der Quelle zwar unbekannten aber durch sie nachprüfbaren Fakten zu feindlich-negativen Personen, mit denen sie sich eigentlich identifiziert, um ein „innerliches Abrücken“ von diesen Personen durch den IM zu erreichen. „So ist neben Überzeugungskraft auch Behutsamkeit gefragt.“ Menschen aus ihrem christlichen Arbeitskreis sollten diskreditiert werden und gleichzeitig sollte IM „Karin im MfS eine neue ideologische Heimat“ finden.“ (10) Dies ist eine wichtige Phase der Zersetzung einer christlichen Gruppe: die anderen Geschwister in der Gruppe zu diskreditieren (Feindbildvermittlung) und die IM ihrem Glauben  zu entfremden.

Etwas Positives geht aus der Diplomarbeit des Stasi-Mitarbeiters noch hervor: Trotz „rationaler Einsicht bleibe der IM häufig christlich gebunden. (11) Wie kommt es, dass der Glaube des IM bewahrt bleibt, er aber trotzdem aus dem Zusammenhalt der Gruppe herausgelöst werden kann? Vielleicht sind es festgefahrene Gegensätze sachlicher oder persönlicher Art in der Gruppe, die dazu führen, dass sich der IM in der Gruppe nicht angesprochen oder nicht angenommen oder gar an den Rand gedrängt fühlt. Es war  die Praxis der Stasi, Gegensätze in der Gruppe herauszuarbeiten und in den Augen des IM als unüberwindlich darzustellen. Die Verführungskünste und Zwangsmaßnahmen der Stasi sind das Eine; die Verantwortung der Mitglieder der christlichen Gruppe für den Anderen ist aber genau so wichtig.

2. Eine Auseinandersetzung mit der Staatsmacht

Wir befinden uns in der DDR. Die Wende ist noch lange nicht absehbar – glaubt überhaupt noch jemand an das Ende dieses Systems?

Albrecht Kaul ist Beauftragter der evangelischen Kirche und veranstaltet in den Sommermonaten eines Jahres eine Rüstzeit (Freizeit) für sächsische Jugendliche aus Zwickau und Umgebung . In der ersten Woche führen sie Renovierungsarbeiten an Kirche und Friedhof einer mecklenburgischen Dorfgemeinde durch. Für die zweite Woche ist eine Zeit der Erholung und Bibelarbeit in einem Pfarrhaus in Hohenkirchen, direkt an der Ostsee, vorgesehen. (12)

Durch diese Rechnung könnte aber die Staatsmacht einen Strich machen. Denn seit „September 1975 gilt die neue Veranstaltungsverordnung der DDR zur religiösen Feriengestaltung für Kinder und Jugendliche. Sie begrenzt die Aktivitäten auf sieben Tage. Mehr wäre dem Erholungseffekt der Jugendlichen abträglich.“ (13)

Und so kommt, was kommen muss. Die Jugendgruppe und ihr Leiter sitzen gerade zu ihrer „ersten Bibelarbeit im Pfarrhaus in Hohenkirchen zusammen, schmettern einige Lieder zur Gitarre und wollen gerade den Bibeltext miteinander lesen, als im Pfarrhof ein „Wolga“ vorfährt.“ (14) Solche schwarzen Limousinen sind eigentlich den höheren Staatsangestellten vorbehalten und den Christen schwant nichts Gutes.

Kurze Zeit später wird Albrecht Kaul zu einer Besprechung in das Dienstzimmer des Pfarrers gebeten. Hier sitzt er dem Sekretär für Kirchenfragen beim Rat des Kreises Wismar und drei anderen Herren, u. a.einem Vertreter des Ministeriums für Staatssicherheit, gegenüber.

Der Sekretär für Kirchenfragen, Jenssen, zitiert die Veranstaltungsordnung der DDR und weist darauf hin, dass die Freizeitgruppe schon vorher eine Woche Rüstzeit hatte, und dass die nun laufende zweite Woche den gesetzlichen Rahmen überschreitet. (15)

Die Diskussion geht hin und her, bis endlich der Stasivertreter dem Freizeitleiter ein Ultimatum stellt: „Weil Sie anscheinend unbelehrbar sind, werden wir nicht nur Sie, sondern auch die Jugendlichen belangen. Wenn diese Ihnen mehr hörig sind, als den Anordnungen des Staatsapparates zu folgen, dann haben sie die Konsequenzen zu tragen. Sagen Sie den Jugendlichen, dass morgen die Abreise ist. Wer nicht abreist, wird das zu spüren bekommen.“ (16)

Jetzt haben die Vertreter der Staatsmacht Alfred Kaul an einer empfindlichen Stelle getroffen. Seine Überlegungen laufen auf folgendes hinaus: „Ich selbst bin durch die Kirchenleitung verhältnismäßig gesichert, aber die Schüler und Lehrlinge würden sie einzeln vor die Direktoren und Ausbildungsleiter ziehen. Vielleicht verlieren sie ihre Lehrstelle oder fliegen von der weiterbildenden Schule – eine Verantwortung, die ich kaum zu tragen wage. Kann ich die Zukunft der jungen Menschen aufs Spiel setzen? Ihnen die Karriere verbauen, nur wegen einer Woche Urlaub an der See?“ (17)

Nach fast zwei Stunden geht das Gespräch mit einem Schlagabtausch zu Ende. Kaul erklärt, dass die Freizeit fortgeführt wird. Er erzählt weiter: „Mit zitternden Knien und müden Schritten gehe ich zum Pfarrsaal hinüber. Als ich die Tür öffne, sehe ich, was ich nie vermutet hätte: Die „wilde“ Truppe sitzt im Kreis und betet. Sie haben die zwei Stunden für mich die Hände gefaltet und mir den Rücken gestärkt.“ (18) Kaul erklärt den Freizeitteilnehmern die Lage und diese entscheiden: „Wir bleiben!“ (19)

Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt. Kaul: „Die folgenden Tage haben wir sehr intensive Bibelarbeiten und Gespräche. Für einige wird diese Rüstzeit der entscheidende Schritt zu einem bewussten Leben mit Jesus Christus.

Mehrere werden anschließend über die Rüstzeit in ihren Schulen und Betrieben befragt, aber keiner muss spürbare Nachteile einstecken. Das Bekenntnis zu Jesus Christus, mit dem sie unterwegs sind, hat sie nur stärker und mutiger gemacht. Heute sind von dieser Gruppe einige Kirchvorsteher, ehrenamtliche Mitarbeiter in den Gemeinden und zwei im hauptamtlichen kirchlichen Dienst.“ (20)

Trotz aller Risiken, die auf die Teilnehmer der Gruppe hätten zukommen können – sie haben zusammengehalten und durch Gebet ihrem Freizeitleiter den Rücken gestärkt. Das Gebet ist die stärkste Waffe, die Christen zur Verfügung steht.



Rolf Urspruch


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Literaturangaben



(1) Holger Richter, Die Operative Psychologie des Ministeriums f¸r Staatssicherheit der DDR, 2012 Mabuse-Verlag GmbH 60486 Frankfurt am Main, S. 299f.
(2) s. ebenda, S. 42
(3) s. ebenda, S. 191
(4) s. ebenda, S. 213
(5) Diplomarbeit von M. Vˆlker ÑPraktische Erfahrungen und Erkenntnisse der Vermittlung eines realen und aufgabenbezogenen Feindbildes an IM. Untersucht und dargestellt an einem IM der Linie XX/4ì, JHS VVSo001-285/89. BStU ZA JHS 21 451; in: Holger Richter, ebenda, S. 299
(6) s. Holger Richter, ebenda, S. 299f.
(7) ebenda
(8) s. ebenda, S. 300
(9) ebenda
(10) ebenda
(11) s. ebenda
(12) s. Albrecht Kaul, ÑUnd morgen fahren Sie ab!ì; in: Albrecht Kaul, Wegen Gef‰hrdung des sozialistischen Friedens, 2014 Brunnen Verlag Gieflen, S. 53ff.
(13) ebenda, S. 54f.
(14) ebenda, S. 55
(15) s. ebenda, S. 56
(16) ebenda, S. 57f.
(17) ebenda, S. 58
(18) ebenda
(19) ebenda, S. 59
(20) ebenda






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