Odyssee eines jungen Mannes
- Oder: "Der Ausreisser" -





Odyssee eines jungen Mannes (5)




Nun las ich den Prospekt „Spielcasino“. Das musste sicherlich
lustig sein. Dort könnte ich heute Nachmittag mal hin und dann
heute Abend ins Varieté. Der Taxifahrer hatte mir davon erzählt.
Vorsichtshalber nahm ich aus meinem Zimmersafe noch ein
paar Scheine mit, fuhr dann mit dem Fahrstuhl runter und erkundigte
mich nach dem Casino.
Der Mann an der Rezeption holte einen kleinen Stadtplan hervor
und erklärte mir den Weg. Doch das mit dem Bus und umsteigen
in die U-Bahn, war mir zu umständlich. Bitte bestellen sie mir ein
Taxi sagte ich. Er zuckte die Achseln, griff zum Hörer und wählte
eine Nummer.
Es dauerte nur wenige Minuten und das Taxi stand vor der Tür.
Bis dann, sagte ich und ging zum Taxi. Diesmal war es eine
Frau, welche das Taxi fuhr. Zum Casino Royale sagte ich und stieg
ein. Die Frau fragte, wo ich her sei. Aus Ostfriesland sagte ich, in
der Nähe der Nordsee. Von so weit her? Sind sie geschäftlich
hier? Ja, so kann man es nennen sagte ich.
Und nun wollen sie sich im Casino amüsieren und das große
Glück machen? Ich lachte und sagte, man müsse sich ja auch
mal was gönnen. Ja, da haben sie recht, sagte die Taxifahrerin.
Neulich hat jemand im Casino ganz schön abgesahnt. Aber wenn
man nichts davon versteht kann das auch gefährlich sein. Haben
sie schon mal Roulette gespielt? Nein sagte ich, aber man kann
es ja lernen. Da hat schon mancher Haus und Hof verloren, warnte
sie mich. Ich bin ja nicht blöd sagte ich, ich weiß, wann ich
aufhören muss, sagte ich selbstbewusst.
Dort drüben ist es, sagte sie und zeigte mit dem Finger an mir
vorbei nach rechts. Es war ein Schlossartiges großes Gebäude.
Hier verkehren nur die oberen zehntausend, sagte die Taxifahrerin.
Sie hielt an: 34,30 Euro, sagte sie. Ich gab ihr einen fünfziger,
sagte Tschüss und ging.
Viel Glück, rief sie mir noch nach.
Am Eingang empfing mich ein hochgewachsener Mann mit weißen
Handschuhen, er sagte Guten Tag und gehen sie mal ganz durch.
Ich sah links und rechts viele Automaten und Spielgeräte vor denen
Leute standen, welche sich dort vergnügten.
Gerade aus war ein kleiner Saal an dem Leute an einem Tisch saßen,
es lag Geld auf diesem Tisch und ein Mann zog mit einer Harke
irgendwelche bunten Plättchen hin und her. In der Mitte drehte sich
eine Kugel, welche auf irgendeiner Zahl liegen blieb. Ich schaute
interessiert zu.
Ein freundlicher Herr bat mich, doch Platz zu nehmen. Ich leistete
der Aufforderung folge und setzte mich.
Sie sind wohl neu, fragte er? Machen sie mal mit, sagte er, hier
können sie reich werden. Aber ich habe keine Ahnung, wie das hier
läuft, sagte ich. Ach, das ist ganz einfach, sagte mein Nachbar.
Setzen sie auf ihre Lieblingszahl und geben sie ein Gebot.
Ich überlegte und entschied mich für die 9. Wie viel muss ich den
bieten, fragte ich? Je mehr sie bieten, umso höher sind die
Gewinnchancen sagte der nette Herr. Reichen 500.- Euro? fragte
ich. Zu wenig sagte der nette Herr, hier wird mit hohen Summen
gespielt. Wer nicht wagt, nicht gewinnt sagte er noch.
Ich gab mir einen Ruck und legte 2000.- Euro auf den Tisch.
Die Kugel drehte sich und blieb auf der drei liegen.
Pech sagte mein Nachbar, einfach noch einmal versuchen. Ich kramte
In meinen Taschen und konnte noch 1500.- Euro zusammen kratzen.
Meine Reserve im Brustbeutel wollte ich nicht antasten, da ich ja
noch ins Varieté wollte.
Diesmal entschied ich mich für die fünf. Das Rad drehte sich und
die Kugel blieb auf der zwei liegen. Ach sagte mein Nachbar, nicht
gleich aufgeben, weitermachen.
Doch ich hatte erst einmal die Schnauze voll, in einer halben
Stunde hatte ich hier 3500.- Euro verloren, für nichts.
Schnurstracks machte ich mich davon, draußen standen mehrere
Taxen und ich lies mich, noch etwas verärgert, zum Varieté bringen.
Der Taxifahrer wusste, wo es war. Er war schweigsam.
Nach 10 Minuten hatten wir unser Ziel erreicht. Etwas umständlich
kramte ich in meinem Brustbeutel und zog einen fünfhundert Euro
Schein hervor. Den kann ich nicht wechseln sagte der Taxifahrer.
Dann geben sie mir 400.- zurück sagte ich, der Rest ist dann für sie.
Er guckte mich etwas erstaunt an und kratzte dann 400.-Euro in
mehreren Scheinen zusammen.
Ich stieg aus und ging Richtung Varieté.
Night Show, durchgehend geöffnet, las ich draußen und
alles flackerte in rotem Licht.
An der Tür standen zwei bullige Türsteher, welche mich nur kurz
anguckten.
Es war hier fast gerammelt voll. Ich quetschte mich zur Theke vor
und bestellte mir einen Whisky. Etwas weiter hinten war ein kleine runde
Erhebung, dort rutschte ein knapp bekleidetes Mädchen an einer
Stange immer rauf und runter, die Leute grölten vor Vergnügen.
Ich begab mich auch dorthin. Einer steckte dem Mädchen einen
Schein zu und alle lachten, andere warfen Scheine
so auf die Bühne. Auch ich wollte mich nicht lumpen lassen und
warf einen Schein rüber.
An der Bar holte ich mir wieder einen Whisky, als ein junges
Mädchen seine Arme um mich legte und sagte: na Süßer, gibst
du einen aus? Bestell dir was sagte ich und sie gab dem Mann
an der Theke einen Wink, worauf sie ein Getränk erhielt.
Wir unterhielten uns lange angeregt, laberten dummes Zeug
und ich goss Whisky und Wodka in mich hinein.
Ich war schon ziemlich beschwippst, als sie auf meine Uhr aufmerksam
wurde und fragte, ob sie sie mal sehen dürfe.
Nachdem ich die Uhr vom Handgelenk gelöst hatte, gab ich sie
Ihr, wobei ich meinen Arm um sie legte um sie zu küssen.
Schenkst du mir die Uhr? fragte sie mit unschuldiger zarter Stimme.
Ich war so hingerissen von ihr, das ich sagte: nimm sie.
Die Zeit verging, es waren nur noch wenige Gäste da, es wurde
schon hell.
Ich griff in meinen Brustbeutel, holte einige Scheine heraus und
bezahlte meine Zeche. Den Wirt bat ich, mir ein Taxi zu bestellen.
Als das Taxi kam, lies ich mich zum Hotel fahren.
Der Taxifahrer bekam meinen letzten Schein aus dem Brustbeutel.
Mühsam schleppte ich mich ins Hotel und fuhr mit dem Fahrstuhl
hoch, denn ich konnte kaum noch laufen.
Nach vielen Versuchen hatte ich endlich die Zimmertür auf.
Im Bad musste ich mich erst einmal übergeben, dann warf ich mich auf
das Bett und schlief ein.
Nun mache ich einen Zeitsprung.
Ein gutes halbes Jahr habe ich dieses Leben geführt, wohnte
im Hotel, ging in Spielbanken, ging in Night-Shows und wohin noch.
Ich warf mit dem Geld um mich, genoss die ungewohnte Freiheit, das
Vergnügen und war sorglos.
Doch dann kam die Ernüchterung, als ich wieder einmal nach
einer durchzechten Nacht morgens im Hotel aufwachte, beschlich
mich ein ungutes Gefühl, ich ging an den Zimmersafe, ich ahnte
es fast, er war leer. In einem halben Jahr hatte ich 100000.- Euro
buchstäblich verbraten.
Ich kramte in meiner Jacke und fand noch einen Zwanziger und
einen fünf Euro Schein, das war alles, was mir geblieben war.
Meine Uhr, ach ja, dieses Mädchen. Und mein Ring. Wo der war,
konnte ich mir nicht erklären.
Meine Zimmerkaution war noch für zwei Tage, dann musste ich
hier raus. Ich fing an, mit mir zu hadern, mein Schicksal zu
verfluchen. Blöde Weiber, Mist Alkohol, sagte ich.
Doch ich wusste auch, dass ich mir dieses Schicksal selbst
bereitet hatte.


Der Untergang
Ich beschloss, mich heute im Laufe des Tages still und heimlich
davon zu machen, ehe die hier was merkten. Meine Klamotten
würde ich zurücklassen müssen, denn ich hatte ja nur einen
kleinen Rucksack. Die hier würden meinen Kram schon entsorgen.
Am Nachmittag, die Rezeption war gerade nicht besetzt, stahl
ich mich aus dem Hotel und ging eilenden Schrittes davon.
An der Kreuzung sah ich einige Schilder, eins bedeutete etwas
für die Autobahn, auf einem anderen stand „Alle Richtungen“.
Ich beschloss, mich nach diesem Schild zu richten. Vielleicht
könnte ich ja auch per Anhalter weiterkommen. Aber niemand
hielt an, die Leute sind misstrauisch geworden.
Inzwischen ging es auf Abend zu, es dämmerte und mir taten
langsam die Knochen weh. Ich sah eine Brücke und beschloss,
dort hinzugehen und mich dort auszuruhen, wahrscheinlich müsste
ich da auch übernachten, wo sollte ich auch hin. Ich fing an, mich
zu bedauern. Als ich zu der Brücke kam, sah ich dort zwei
Obdachlose, welche auf einer kleinen Feuerstelle etwas Essbares
zubereiteten. Der eine winkte mich her, komm Kamerad, sagte er,
setz dich zu uns, geteiltes Leid ist halbes Leid.
Wie heißt du fragte er. Manfred sagte ich. Bist du von hier?
Plötzlich sagte der andere Mann: wir brauchen was zu trinken.
Unser Geld reicht leider nicht, sagte der andere und zu mir gewandt:
hast du noch einen Heiermann? Ich zog meinen 5.- Euro Schein
hervor und gab sie dem anderen Mann. Was nehmen wir denn?
Ich schlug Milch vor, oder Apfelsaft, denn ich hatte vom Saufen
die Nase voll. Der eine Mann meinte, ein paar Dosen Bier seien
nicht schlecht. Der andere hingegen stimmte für Brandwein, weil
die Nächte so kühl seien und überhaupt. Er erhob sich von seinem
Platz, sagte: bin gleich wieder da und ging zu einem Kiosk auf
der anderen Straßenseite. Er kam nach einer Weile mit einer
Plastiktüte zurück.
Jeder bekam eine Dose Bier und wir nahmen einen Schluck aus
der Brandweinflasche. Was soll es, dachte ich.




Wolfgang Müller
Fortsetzung:
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Vom selben Autor: Gedanken eines Synodalen

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