Odyssee eines jungen Mannes
- Oder: "Der Ausreisser" -





Odyssee eines jungen Mannes (8)




Um Punkt 19.00 Uhr will ich alle hier versammelt sehen, sagte
Vater zum Personal. Jemand bekam noch den Auftrag, gewisse
Leute aus dem Ort einzuladen und abzuholen. Vater begab sich
ans Telefon und führte endlose Gespräche mit irgendwelchen
Leuten, welche er einlud.
Ich saß beschämt auf einem Stuhl und guckte dem Treiben zu.
Es war einfach alles überwältigend, ich konnte es nicht glauben.
Und ich sagte zu mir:“ guter Gott, womit habe ich das verdient?“
Ein Besucher kam, ausgerechnet der Pastor. Er kam auf mich zu,
sagte: „ Na du Ausreißer“ klopfte an meine Brust und lächelte
freundlich um dann auf seinen Platz zuzugehen.
Viele Gäste hatten sich mittlerweile eingefunden, einige brachten
Blumen, andere eingewickelte Geschenke mit, welche alle auf
einem Tisch am Eingang abgelegt wurden.
Es mögen so an die 50 Leute anwesend sein.
Inzwischen hatte Vater jemand losgeschickt um nach meinem
Bruder zu suchen. Der Mann kam nach einer Weile zurück und
sagte: er könne ihn nirgends finden und das Auto sei auch nicht da.
Gut, sagte mein Vater, dann fangen wir an. Er nahm ein Weinglas
und klopfte mit einem Löffel daran, sofort trat Ruhe ein.
Nach einer kurzen Begrüßung und einer kleinen Dankesrede
sagte Vater: „ und nun bitte ich unseren lieben Pfarrer um eine
kleine Andacht.“
Der Pfarrer erhob sich, die Blicke auf sich gerichtet. Und er hielt
zu meinem Entsetzen eine Andacht über die Geschichte vom
„Verlorenen Sohn“ Das Blut schoss mir in den Kopf. Ich sah, wie
einige zu mir rüber schauten, einige lächelten, andere nickten.
Es war eine kurze, aber zu Herzen gehende Andacht. Ich war
erleichtert, als der Pfarrer Amen sagte.
Nun eröffnete Vater das Buffet, gab dem Musiker ein Zeichen und
dieser spielte abwechselnd auf seinem Keyboard oder Schlagzeug.
Es wurde ein schöner Abend, Essen und trinken, tanzen und Musik.
Man unterhielt sich und auch ich nahm an den Unterhaltungen regen
Anteil. Niemand aber fragte nach meiner Vergangenheit.
Alle meinten, es sei schön mich wiederzusehen.
Was nun folgt, weiß ich nur aus einer späteren Erzählung meines
Bruders.
Mein Bruder hatte an diesem Abend lange in der Genossenschaft
zu tun und hatte noch einen Bekannten besucht.
So kam er ziemlich spät nach Hause. Als er mit seinem Wagen sich
dem Hause näherte, sah er die Lampions, Girlanden und hörte auch
die Musik. Er hielt auf dem Hof und zufällig standen dort zwei Männer
welche eine Zigarette rauchten und er fragte, was das zu bedeuten
habe, was da drinnen los sei.
Die Männer erzählten, dein Bruder ist zurückgekommen, dein
Vater ist froh, dass er ihn heil wieder hat und hat ihm zu Ehren dieses
Fest gegeben, das halbe Dorf ist gekommen.
Was sagt ihr da?
Mit einem wütenden Ruck riss er die Türe auf und da stand er nun.
Er schrie: „Seid ihr alle verrückt geworden, was hat das hier zu
bedeuten?“
Er ging auf Vater zu, während die Musik verstummte und alle
entsetzte Gesichter machten, erkläre mir Vater, was hier los ist.
Aber er ließ Vater gar nicht erst zu Worte kommen, sondern schrie:
„Dieser Hurenbock (und zeigte auf mich), hat sein Erbe versoffen
und verprasst, sich in zwielichtigen Vierteln amüsiert.“
Diesem Kerl spendierst du eine Riesen Party?
Ich klotze und maloche seit Jahren und wann hast du mir mal
eine Party spendiert?“ Ist das der Dank?
Mein Sohn, sagte Vater, erstens hast du mich noch nie um eine
Party oder ein Fest gebeten, du konntest so viel feiern wie du
wolltest. Dieser, mein Hof, ist auch dein Eigentum.
Heute ist dein Bruder wieder da, er war „tot“ und er lebt wieder,
das ist ein Grund, Gott zu danken und zu feiern.
Setz dich und sei fröhlich mit uns.
Wutentbrant ging mein Bruder Richtung Ausgang und warf die
Tür mit einem lauten Knall hinter sich zu.
Ich stand auf, wollte ihm nach, doch Vater hielt mich zurück und
sagte: der beruhigt sich wieder. Dann gab er der Musik ein Zeichen
und die Feier setzte sich fort.
Ich war jetzt nicht mehr in Stimmung, der Vorfall hatte mich schockiert.
So zog ich mich ein wenig zurück an einen freien Tisch, denn
etliche waren schon gegangen.


Glückliches Happy End
Es war nun seit diesem Vorfall über eine Stunde vergangen, es war
bereits nach 24.00 Uhr, als sich die Tür öffnete und mein Bruder
im schicken Anzug mit einem strahlenden Lächeln direkt auf mich
zu kam, ich stand auf, er nahm mich in den Arm, drückte mich und
sagte: “verzeih alter Junge“ es war nicht so gemeint.
Er holte für uns beide Wein und wir plauderten und scherzten beim
Wein bis in die frühen Morgenstunden. Alles sehr zur Freude unseres
Vaters und der noch verbliebenen Gäste.
Es mag schon fast Mittag gewesen sein, als ich am nächsten Tag
runter ging. Ich entschuldigte mich für das zu späte kommen und
wollte mich davon machen, an die Arbeit.
Wohin so schnell Junge? fragte Vater. Ich sagte ihm, das ich bei
den Ställen aushelfen wolle.
Setze dich wieder hin, sagte Vater. Ich habe anderes mit dir vor.
Sieh, dein Bruder ist mehr für das praktische, du mehr für das
Theoretische. Ich will mich langsam mal zur Ruhe setzen, du wirst
hier die ganze Buchhaltung übernehmen, ich werde dich einarbeiten
Mit deinem Bruder ist das alles besprochen.
Ich war verdutzt. Am Nachmittag gab Vater mir einen ersten Überblick
über die Buchhaltung. Wir hatten noch eine Sekretärin, sie begrüßte
mich freundlich. Auf gute Zusammenarbeit, sagte ich.
So verging dieser Samstag, mir war, als sei ich direkt im Himmel
gelandet.
Am nächsten Morgen war Sonntag, wir fuhren gemeinsam zur
Kirche, auch einige Angestellte aus dem Angestellten Wohnhaus
schlossen sich uns an. An der Kirchentür empfing uns der Pfarrer
mit einem lauten „Hallo“.
Ich selbst habe diesen Gottesdienst genossen, wie nie zuvor.
Mir war, als säße der Herr selbst mit uns auf der Kirchenbank.
Ich sang aus vollem Halse, die Gebete berührten mich tief.
Und die Predigt vom verlorenen Schaf ging mir zu Herzen.
Als habe sich der Himmel geöffnet. Ich war wieder zu Hause.
An dieser Stelle mache ich nun einen Schnitt.
Die Zeit ist vergangen, mittlerweile bin ich fest im Betrieb meines
Vaters integriert und leite die gesamte Buchhaltung. Mein Bruder
ist nach wie vor für alle praktischen Dinge verantwortlich.
27 Angestellte und Arbeiter haben wir.
Unser Vater genießt seinen Ruhestand. Mein Bruder und ich sind
mittlerweile verheiratet.
Sonntags treffen wir uns zum gemeinsamen Kirchgang.
Alles geht seinen normalen Gang.
Nun lebe ich jeden Tag bewusst, nehme jeden Tag als Geschenk.
Lieber Leser, bleibe im Lande und nähre dich redlich.
Verlasse nicht das Vaterhaus.


Der geübte Leser weiß, worum es in dieser Geschichte geht.
Dem ungeübten sei dieses als Hilfe: Über
jeden Sünder, der umkehrt, herrscht Freude im Himmel.
Da geht der Hirte los, um eines seiner verirrten Schafe zu suchen.
Diese Geschichte kann auch als verlorene Tochter gelesen
werden.


Wolfgang Müller
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Vom selben Autor: Gedanken eines Synodalen

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