Odyssee eines jungen Mannes
- Oder: "Der Ausreisser" -





Odyssee eines jungen Mannes (7)




Ich bekam diese Nacht kein Auge zu. Wie würde das alles ausgehen?
Was würde mich erwarten?
Nein, tiefe Reue erfasste mich, was hatte ich nur für ein Leben
geführt?
Rufe mich an in der Not…. fiel mir so ein. Vielleicht hatte sich ja
sogar Jesus von mir abgewandt? Ich schämte mich zu beten.
Ich lebte wie ein Schwein, wollte aber nicht wie ein Schwein
enden.
Eine unruhige Nacht lag hinter mir, es war noch dämmrig, als ich
mich langsam aus dem Stall schlicht. Es brannte noch kein Licht
im Gebäude. Mein Herz klopfte, als ich die Landstraße erreichte,
ständig drehte ich mich um, ob der Alte mich wohl verfolgen würde.
Es mögen etwa eine halbe Stunde vergangen sein, als ich hinter mir
in der Ferne zwei Scheinwerfer sah, welche merklich näher kamen.
Der Alte, dachte ich, er will mich zurückholen. Ich sprang in einen
Graben neben der Straße und versteckte mich hinter einem Busch.
Ich hörte jetzt das Rattern eines Treckers und sah, wie er an mir
vorbei fuhr. Es war der Alte. Mistkerl, dachte ich. Er fuhr noch etwa
100 Meter weiter und wendete vor einem Waldgrundstück und kam
zurück. Ich ließ ihn an mir vorbei und blickte ihm nach. Als ich ihn
nicht mehr sah, kroch ich aus meinem Versteck und ging weiter.
Es war mittlerweile hell geworden.
Ich blickte zum Himmel und sagte: Danke. Zum ersten Mal spürte
ich wieder so etwas wie Verlangen nach Gott. Es mag vielleicht eine
Stunde oder mehr vergangen sein, mir taten die Füße weh, als
ich am Wegesrand einen Baumstumpf sah, auf den ich mich setzte.
Zum Himmel aufblickend sagte ich: Herr hilf mir.
Nach einer Weile, ich wollte gerade weitergehen, sah ich in der
Ferne einen LKW auf mich zukommen.
Per Anhalter, ich musste es versuchen, stand auf und winkte wie
wild. Der Wagen hielt, ein Mann schaute aus dem Wagenfenster,
drehte sich zu seinem Kollegen, dem Fahrer, und sagte etwas.
Dann schaute er wieder zu mir und fragte, wo ich hinwolle?
An der Sprache merkte ich, dass es Holländer waren.
Ostfriesland sagte ich, Aurich, Leer oder Emden.
Der Mann nickte und zeigte auf die leere Ladefläche des LKW,
ich sollte aufsteigen und mich mit dem Rücken zum Fahrerhaus
setzen. Mühselig kletterte ich auf den LKW. Ich sah noch, wie der
Mann den Kopf schüttelte, dann fuhren wir los.
Dankend, überglücklich schaute ich gen Himmel und sagte. Danke
mein Gott, danke, danke, du hast mein Gebet erhört.
Nach einer langen Fahrzeit, wir waren mittlerweile auf der
Autobahn, steuerten sie einen Parkplatz an.
Die beiden stiegen aus und der eine sagte zu mir: “wir machen jetzt
eine Pause, in einer halben Stunde sind wir zurück.“ Er guckte noch
mal zu mir hoch und schüttelte, wohl wegen meines Aussehens, den
Kopf.
Als die beiden nach einer Zeit wieder zurückkamen, reichte mir
der eine einen Pappbecher mit heißem Kaffee und ein belegtes
Brötchen mit einem Salatblatt hoch. Hier, hast du auch was, sagte
er und mir vielen die Augen aus dem Kopf, das Wasser schoss
mir in den Mund.
Danke, danke, sagte ich und verschlang das Brötchen im Nu.
Guter Gott, sagte ich still, danke.
Dann trank ich mit Genuss meinen Kaffee, es war eine Ewigkeit
her, wo ich einen Kaffee hatte.
Ich fühlte, wie meine Lebensgeister sich regten.
Langsam fuhr der Wagen an, Richtung Autobahn. Ich konnte
auf einem Schild Hamburg 126 km lesen.
Nun wusste ich auch, wo wir ungefähr waren.
Noch einmal zog mein bisheriges Leben wie in einem Film an mir
vorüber.
Ich war von zu Hause weggegangen, um die Welt zu erobern, das
Leben zu genießen. Mit Geld versuchte ich, was darzustellen.
Die Mädchen, die leichten, wichen nicht von mir und ich genoss es.
Die Hotelmiete war ein Klacks für mich. Teuerste Klamotten und
Schmuck waren für mich selbstverständlich. Tägliches Taxifahren
und großzügige Trinkgelder waren selbstverständlich. Ich schmiss
Lokalrunden am laufenden Band. Ich soff und „genoss“ es, dass ich
Immer freudig begrüßt wurde, wenn ich in meinen Stammspelunken
aufkreuzte.
Kam ich ins Hotel, holte ich aus meinem Zimmersafe „Nachschub“
das Geld wollte einfach nicht alle werden.
Doch dann kam der Tag, an dem ich ins Leere Griff, das Geld war
alle. Nun musste ich das Hotel verlassen und stand auf der Straße.
Ich übernachtete unter einer Brücke mit Obdachlosen, jene Leute,
welche ich vorher mitleidig belächelt hatte. Ich irrte umher wie ein
verjagter Hund, holte mir Essen aus Mülltonnen, sammelte Flaschen
um zu überleben. Hier und dort musste ich stehlen.
Zum Schluss landete ich bei einem Schweinebauern und machte
noch den Schweinen das Futter streitig.
Dann kam die späte, aber nicht zu späte Reue?
Jetzt sitze ich auf einem LKW, was wird mich erwarten?
Ich fange wieder an, nach Gott zu fragen.
Mir ist unbegreiflich geworden, wie das alles so gekommen ist.
Die Zeit ist verstrichen, ich sehe an den Schildern, das Ostfriesland
näher kommt. Noch ist Zeit, sich alles noch einmal zu überlegen.
Aber wo soll ich hin. Das Elternhaus ist meine einzige Hoffnung.
Ich sehe keinen Ausweg, nur Vater kann helfen, wenn er mich nicht
davonjagt. Mein Bruder, wie wird er reagieren?
Ach, hätte ich es doch hinter mir.
Der Wagen hält, der Mann sagt zu mir, dass ich nun absteigen müsse.
Ich sehe ein Schild, ja, noch 8 Kilometer. Die muss ich jetzt noch gehen.
Danke sage ich zu dem Mann, danke für alles.
Schon gut sagt er, stieg wieder ein, winkt noch kurz und ich schaue
dem Wagen nach. Ich setze mich einen Moment auf die Böschung,
nachdem ich ein paar Gehübungen gemacht habe. Meine Glieder
sind steif. Ich merke, es gibt kein zurück. Seit den Tagen in der
Diakonie habe ich mich nicht mehr gewaschen oder rasiert. Hat den
Vorteil, dass mich keiner erkennt, wenn ich durch den Ort muss.
Ich reiße mich zusammen, stehe auf, schaue zum Himmel, als wollt
Ich sagen: Herr, gehe mit mir.
Als ich nach einer Zeit im Ort ankam, glotzten die Leute wie wild.
So einen hatten sie hier noch nie gesehen. Ich hörte Bemerkungen
wie: Penner, Dreckschwein, so etwas müsste man einfangen.
Endlich konnte ich den Ort am anderen Ende verlassen, nun waren
es noch zwei Kilometer bis nach Hause. Ich rang innerlich mit mir,
dieser schwere Gang.
Man würde mich vom Hof jagen?
Plötzlich hörte ich hinter mir einen Trecker kommen. Ich blickte zur
Seite, es war mein Bruder, aber er erkannte mich nicht. Verdutzt
drehte er sich mehrere Male um, schüttelte den Kopf und fuhr weiter.
Ich dachte, ob mein Vater meine Geschichte nicht längst kannte?
Wenn jemand meinen Rucksack unter der Brücke gefunden hatte,
meinen Ausweis, und hatte den hierher geschickt?
Dann musste ihm mein Schicksal klar sein.


Der Neuanfang
Gerade war ich über den Hügel und blickte auf die Anhöhe vor
unserem Haus.
Nein, das konnte nicht wahr sein, da stand er, wie immer und suchte
den Horizont ab. Er stutzte, rief irgendwas, winkte, ich solle kommen
und kam schnellen Schrittes auf mich zu.
Ich verharrte in meinem Gang, ungläubig abwartend.
Dann fiel er mir um den Hals und umarmte mich, mein Junge, sagte
er, ich wusste, du kommst wieder. Kein Vorwurf, keine Fragen.
Ich musste meine Tränen unterdrücken, die Kehle war mir
zugeschnürt.
Komm, wir gehen ins Haus. Auf dem Wege dorthin starrten mich
einige unserer Mitarbeiter an, sie erkannten mich nicht.
Dann rief Vater laut: mein Sohn, das ist mein Sohn. Ungläubiges
anstarren der Leute, keiner konnte es so recht glauben.
Es ist mein Sohn, sagte Vater erneut. Und heute wird gefeiert.
Dann gab er dem Hauspersonal und allen herumstehenden
Anweisungen: Das Bad solle vorbereitet werden, Wäsche bereit
gelegt werden, der beste Anzug aus meinem Schrank geholt werden.
Jemand solle in den Ort fahren, den Frisör zu holen. Die Diele
solle hergerichtet werden, alles solle ausgeschmückt werden und
Speisen für alle samt Getränken sollten heran geschafft werden.
Was fehle, müsse schleunigst besorgt werden.
Ich setzte mich erst einmal, während Vater mir einen Kaffee
und belegte Brötchen kommen ließ.
Es war eine nie erlebte Geschäftigkeit, die sich da abspielte.
Nach einer Weile geleitete man mich ins Bad.
Als ich in der Wanne lag, kam ich mir vor, wie im Himmel.
Mein Herr und mein Gott, kam es mir von den Lippen, mein Gott.
Nach dem Bad kleidete ich mich neu an. Die Sachen schlotterten
noch ein wenig an mir herum, denn ich hatte ja an Gewicht verloren.
Inzwischen war auch der Frisör eingetroffen, er schnitt mir die
Haare und rasierte mich. Als er fertig war sagte er: „hätte nicht
geglaubt, das du es bist.“ Ich lächelte. Dann ging ich hinunter
zur Diele, hier sah es mittlerweile aus, wie bei einer Hochzeitsfeier.
Erstaunte Blicke und lächeln empfing mich, ja, nun erkannte man
mich. Einige klatschten Beifall.
Vater kam auf mich zu, zog seinen Siegelring vom Finger und
steckte ihn mir an den Finger der rechten Hand, dann sagte er:
„heute ist diesem Haus Heil geschehen, mein Sohn war „tot“ und
nun lebt er wieder.“
Die Tische wurden gedeckt, Girlanden aufgehängt und in einer
Ecke nahm ein Alleinunterhalter mit Keyboard Platz.




Wolfgang Müller
Fortsetzung:
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Vom selben Autor: Gedanken eines Synodalen

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