Der Levit
- christliche Kurzgeschichte -





Der Levit




Schon seit einigen Tagen lehrte Jesus im Tempel. Einige seiner Zuhörer waren von seiner Lehre angetan, andere nahmen Anstoß an ihr. So auch ein Gesetzeslehrer, der Jesus provozieren wollte, indem er ihn danach fragte, wie er das Himmelreich erlangen könne.
Etwas abseits im Tempel hatte Maheli, ein Levit, sich um die Leuchter, die ihm anvertraut waren, gekümmert. Zunächst hörte er nur Fetzten des Gespräches zwischen Jesus und dem Gesetzeslehrer. Erschrocken horchte er auf, als er eine Geschichte zu hören bekam, die ihm vertraut war. Wieso wusste dieser Jesus davon?
Es ging da um einen Mann, der auf dem Weg von Jericho nach Jerusalem überfallen worden war. Weder ein Levit, noch ein Priester, die vorbei kamen, hatten sich um ihn gekümmert, obwohl er am Boden lag. Er musste auch mit anhören, dass ein Samariter diesem Mann geholfen hatte. Diese Tat wurde von Jesus gelobt. Schließlich sei jeder Mensch zur Nächstenliebe verpflichtet, und diese führe ins Himmelreich.
Maheli kannte diese Straße. Er war sie schon oft gegangen und wusste, dass auf diesen ca. 30 km eine Menge an Gefahren lauerte. Das Gelände war unübersichtlich, weit und breit kein Haus, nur Büsche und Felsen. Es wurden häufig Reisende überfallen, und Maheli hatte manches Opfer da liegen sehen.

Diese Rede von Jesus machte ihn wütend.
Was dachte sich dieser Wanderprediger? Wenn er die Schrift so gut kannte, musste er auch von den Reinheitsgeboten wissen. Der Überfallene, den Maheli vor Augen hatte, litt an starkem Blutverlust. Es sah so aus, als wäre das Leben längst aus ihm entwichen. Maheli hätte ihn anfassen müssen, um sicher festzustellen, ob er schon tot war. Wenn es so gewesen wäre, hätte er sieben Tage keinen Tempeldienst verrichten dürfen. Darüber hinaus hätte er sich mehreren Reinigungsvorschriften unterwerfen müssen. Außerdem, wie hätte er dem Verwundeten helfen sollen? Sein Wasserschlauch war so gut wie leer. Er hatte erst die Hälfte des Weges zurückgelegt, und nirgends war ein Brunnen, um den Schlauch aufzufüllen. Öl und Wein waren auch nicht in seinem Gepäck, und weit und breit kein anderer Wanderer. Schließlich war auch der Priester, von dem die Rede war, ohne sich um den Mann zu kümmern, weitergegangen. Denn er wusste genau, welche Folgen ein Eingreifen auch für ihn nach sich gezogen hätte.
Ruhelos wälzte sich Maheli auf seinem Lager. Immer wieder hörte er die unterschwellige Anklage, die Jesus wegen der verweigerten Hilfe an dem Überfallenen erhoben hatte. Bis jetzt hatte er seinen Beruf zum Dienst im Tempel als seine wichtigste Aufgabe angesehen. Hatte Gott nicht selbst den Stamm der Leviten dazu berufen? Großzügig hatte er ihnen den Überfall der Stammväter Simeon und Levi auf Sichem verziehen, obwohl Jakob ihnen seinen Segen verweigert hatte. Hatte er, Maheli, sich falsch verhalten? Wie hätte er dem armen Mann helfen sollen?
Plötzlich spürte er eine schwache Luftbewegung. Sollte das der gute Geist sein, der ihn schon öfter erschienen war? Maheli wusste nicht genau, wer er war, doch er vermutete, dass es einer der Engel war, die zur Unterstützung der Menschen tätig waren. Obwohl Maheli darauf vorbereitet war, erschrak er, als eine Stimme zu ihm sprach:
„Fürchte dich nicht, es geschieht dir nichts Böses. Ich weiß, dass du dich mit Zweifeln plagst, weil du dich nicht um den armen Mann gekümmert hast. Zwar hast du recht, wenn du die Argumente anbringst, dass dir die Mittel für eine wirksame Hilfe fehlten. Andererseits, versetze dich mall in seine Lage, Hättest du nicht doch etwas für ihn tun können?“
Zögernd antwortete Maheli:
„Ich hätte mich zu ihm setzen können und ihn beruhigen, bis Rettung gekommen wäre.“
„Siehst du, es ist doch nicht schwer. Nicht immer kommt es auf große Taten an. Alleine die Bereitschaft zur Hilfe hat viele Gesichter. Übrigens stellt Jesus das Gebot der Nächstenliebe mit dem der Gottesliebe gleich. Bei der nächsten Gelegenheit, so hoffe ich, wirst du dich anders verhalten.“
Maheli hauchte ein schwaches ‚Danke, ich verspreche es‘, und das war ihm ernst. Endlich fiel er in einen erholsamen Schlaf.



Quellennachweis:
Lukas Kapitel 10, Vers 30
Moses 1. Buch 34,25-31, 49,5-7 4. Buch Moses 1,47-54, 3, 11-13 3,41 19,11-13



Regina Hesse



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