Vom Phariser und vom Zöllner
- Gedanken zum Gleichnis aus Lukas 18 -





Vom Pharisäer und vom Zöllner




Eine Parodie auf die Geschichte vom Pharisäer und Zöllner.
Lukas 18.

Mein Name ist Benjamin Stolz, ich bin ein ehrbarer Bürger.
Ich zahle pünktlich meine Steuern, wie es sich gehört.
Andere legen das Finanzamt mit falschen Angaben rein.
Meine Ersparnisse liegen bei einer Deutschen Bank, ich
gehöre nicht zu denen, die ihr Geld ins Ausland schaffen.
Auch gehe ich geregelter Arbeit nach, ich bin leitender Angestellter.
Ich bin nicht einer von jenen Arbeitsscheuen, die zum Sozialamt
gehen und Stütze kassieren.
Schulden habe ich auch keine, wie jene, welche nicht mit
Geld umgehen können.
Auf Raten kaufe ich auch nichts, wie jene Habenichtse, nein
ich zahle bar, ich bin ein anständiger Bürger.
Auch gehe ich am Sonntag in die Kirche, wie es sich gehört.
In den Klingelbeutel tue ich immer einen Schein, andere werfen
nur Centstücke hinein, oder Knöpfe hinein.
Nein, so einer bin ich nicht.
Auch beim Ortskirchgeld bin ich großzügig, nicht wie jene,
die den Bescheid einfach fortwerfen.
In ein paar Wochen ist Heilig Abend, da wird wieder für
„Brot für die Welt“ gesammelt.
Ich gebe wieder einen fünfziger, zeige den am Ausgang
auch dem Küster, er soll wissen, ich bin großzügig, kein
Geizkragen, schließlich bin ich ein anständiger Christ.
Zum Kirchenkaffee nach dem Gottesdienst gehe ich aber
nicht, da sind nur einfache Leute, mit denen kann man sich
kaum unterhalten, nur der Pastor, der hat es mit denen.
Jeden Morgen lese ich die Tageslosung und die Leute grüßen
mich, denn ich bin ein anständiger Bürger und Christ.
Bin auch Kirchenältester und setze mich für meine Gemeinde ein.
Da haben gestern Schüler für die Kriegsgräberfürsorge gesammelt,
da habe ich einen Zwanziger in die Dose getan, habe ihn den
Kindern vorher gezeigt, die haben gestaunt.
Ja sagte ich, das gehört sich als Christ so. Ich gehöre nicht zu
denen, welche zur Seite schauen und vorüber gehen.
Auf dem nach Hause Weg sehen ich einen, der sitzt da auf der
Erde, vor sich eine Dose mit Kleingeld, er schaut mich erwartungsvoll
an, denkste, sage ich, gehe mal lieber arbeiten.
Nein, ich bin froh, nicht zu solchen Leuten zu gehören.
Ich will ein anständiger Bürger sein.
Da sehe ich meine Kirche, ich denke, gehe noch einmal kurz
rein, stecke noch eine Kerze an, für Mutter.
Unsere Kirche ist sehr schön, als ich sie betrete sehe ich hinten
in der Ecke einen, ein Penner wohl, glotzt mich blöde an.
Und ich denke, was will der hier, was hat der hier verloren?
Rausschmeißen sollte man den.
Ich gehe nach vorne, zum Altar, stecke eine Kerze für Mutter an.
Dann gehe ich zum Altar, falte die Hände zum Gebet:
„Vater ich danke dir, das ich ein ehrbarer Bürger bin, dass ich
mir das alles erarbeiten durfte. Danke, dass ich nicht sein muss,
wie dieser Strolch dahinten, diese Arbeitsscheuen, Schmarotzer
und sonstiges Gesindel.“
Drehe mich um, will die Kirche verlassen, innerlich beglückt.
Da steht jemand in der Tür, gehe auf ihn zu, jetzt erkenne ich
ihn, es ist der Pastor.
Sie, sagt er, mit dem Finger auf mich zeigend, sie haben einen
Mitmenschen, ein Geschöpf Gottes denunziert.
Wie können sie???
Ich erröte, der Pfarrer hat mein Gebet mitgehört.
Der Fremde verlässt unterdessen die Kirche. Der Pfarrer nimmt
mich ins „Gebet“.
Er macht mich buchstäblich fertig und geht.
Nach einer Weile verlasse auch ich die Kirche, niedergeschlagen.
Der Pfarrer hat mich zur Sau gemacht.
Draußen sitzt der Fremde auf einer Bank, ich zögere, aber eine
unsichtbare Kraft zieht mich zu ihm. Ich reiche ihm die Hand und
setze mich zu ihm.
Schon gut sagt er. Es tut mir leid, sage ich, war nicht so gemeint.
Sie, sage ich, ich heiße Stolz, Benjamin Stolz.
Werner, sagt der andere, sagen sie einfach Werner.
OK. Sage ich.
Komm mit mir, sage ich, es sind nur wenige Minuten bis zu meiner
Wohnung, meine Frau macht uns einen Kaffee und ein Stück
Kuchen wird sie auch haben.
Nein, nein, ich möchte niemandem zur Last fallen, sagt Werner.
Doch ich schaffe es, ihn zu überreden, widerwillig folgt er mir.
Ich klingele, meine Frau öffnet, sie erschrickt, wen hast du denn
da…..?
Mache uns einen Kaffee sage ich und ein Stück Topfkuchen.
Wir setzen uns. Der Kaffee und Kuchen kommt, meine Frau
versteht die Welt nicht, wen ich da angeschleppt habe.
Ein guter Freund sage ich, ein Freund, er bleibt zum Abendbrot
und über Nacht.
Was….?
Nach dem Kaffee, ich sage: Werner, komm, ich zeige dir das
Haus. Wir machen einen Rundgang, ich zeige ihm alles.
Schön hast du es, sagt er.
Ja sage ich.
Es ist Abendbrotzeit, ich spreche das Tischgebet, wir essen
gemeinsam. Werner ist nicht sehr gesprächig, ist sehr gerührt.
Zu meiner Frau sage ich nach dem Abendbrot: Sieh mal
nach, ob du was zum anziehen für ihn findest, er hat ja so
ziemlich meine Größe, lege es ins Bad, auch einen Schlafanzug,
denn er bleibt über Nacht.
Benjamin….? sagt sie und guckt mich an.
Ich erkläre dir das später, Frau.
Werner sage ich, komm, ich zeige dir das Bad und dein Zimmer.
Er folgt mir zögernd, auf meine Frau blickend.
Hier, sage ich zu Werner, hier kannst du Duschen und das
anziehen und dort, neben dem Bad ist dein Zimmer.
Er bedankt sich und ich gehe wieder in das Wohnzimmer.
Bis Morgen, sage ich noch. Bis Morgen.
Es hat an diesem Abend etwas gekostet, meiner Frau alles
zu erklären. Helga, sage ich, ich will ein anständiger Christ
und Bürger sein, nicht wie jene, denen das Schicksal ihrer
Mitmenschen so egal ist.
Die Nacht kommt, der Schlaf umfängt uns.
Am nächsten Morgen, wir sitzen gemeinsam am Frühstückstisch.
Werner sagt: so gut habe ich lange nicht mehr geschlafen.
Er sieht gut aus, in den sauberen Klamotten.
Nach dem Frühstück sagt Werner: jetzt muss ich aber los.
Ich will ihn halten, aber er will seinen Weg gehen.
Wir umarmen uns und ich drücke ihm noch einen Fünfziger
in die Hand. Mach es gut alter Junge, sage ich.
Helga hat noch ein Fresspaket gemacht, danke sagt er.
Werner geht, entschwindet langsam unseren Blicken.
Mit ihm entschwindet meine Illusion vom anständigen Bürger
und Christen.
Tage später habe ich dem Pfarrer alles berichtet.
Er hat mir auf die Schulter geklopft und gesagt: Sie sind ein
anständiger Christ.



Wolfgang Müller







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