Wenn der Sperrkassierer kommt
- Politik & Gesellschaft -





Wenn der Sperrkassierer kommt




In einem anderen Beitrag hatte ich ja schonmal über meine Tätigkeit bei einem großen deutschen Energieanbieter geschrieben (Energieschulden). Es ging darum, dass in unserem Land eine neue Energiearmut entsteht, weil viele Menschen ihre Strom- oder Gasrechnung nicht mehr bezahlen können.

Wer bereits die dritte oder vierte Mahnung erhalten hat, dem droht der Besuch des Sperrkassierers. Das ist ein Außendienstmitarbeiter des Energieunternehmens, der dann zu einem nach Hause kommt. In dem Begriff "Sperrkassierer" stecken ja zwei Worte: "sperren" und "kassieren". Der Sperrkassierer macht aber immer nur eines von beidem Bevor er einem den Strom oder das Erdgas abstellt, versucht er natürlich die offene Forderung in bar zu kassieren. Gelingt dies nicht, sperrt er in der Regel den Anschluss. Gut ist, dass man mit dem Außendienstmitarbeiter reden kann. So ist es meist möglich mit ihm noch eine Ratenzahlungsvereinbarung abzuschließen. Bei uns ist es so, dass dazu aber mindestens die Hälfte gleich und die andere Hälfte zwei Wochen später bezahlt werden muss. Hinzu kommen immer auch die Kosten für die Anfahrt des Mitarbeiters. Rechtlich sind die Energieversorger dazu verpflichtet, vor einer Sperrung alle anderen Maßnahmen zur Geldeintreibung zu ergreifen. Aber das sind in der Praxis auch nur Mahnungen und Sperrankündigungen. Der Termin für eine geplante Sperre muss dem Kunden auf jeden Fall vorher rechtzeitig mitgeteilt werden (bei uns vier Wochen vorher). Also einige Blätter Papier, die der Kunde zugeschickt bekommt.

Aus der Praxis weiß ich, dass der Sperrkassierer wieder geht, wenn er zum Termin niemanden antrifft. Er hinterlässt dann im Briefkasten ein Kärtchen mit einem neuen Termin 14 Tage später. Trifft er dann erneut niemanden an, drohen sogar gerichtliche Schritte. So weit sollte man es also nicht kommen lassen. Natürlich gewinnt man etwas Zeit, wenn man zufällig zum ersten Termin nicht zu Hause ist. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Eine Sperre sieht oft so aus, dass gleich der ganze Zähler ausgebaut wird, damit auf keinen Fall weitere Energieschulden auflaufen können. Bei uns ist es so, dass dadurch mindestens 100 Euro an Gebühren für Aus- und Wiedereinbau des Zählers auf die Forderung noch oben mit draufkommen. Für viele Menschen ist dies heute nicht mehr bezahlbar. Was ich traurig finde ist, dass viele noch nicht einmal etwas dafür können. Die Energiepreise steigen und steigen. Für z.B. einen Hartz-4 Empfänger geht es bekanntlich um jeden Euro. Selbst wenn man weniger verbraucht ist die Ersparnis durch die Preissteigerungen bereits wieder aufgefressen. So entsteht der berechtigte Eindruck, dass Energiesparen sich nicht lohnt. Und die Preise für Kilowattstunden sind für viele nach wie vor eine sehr abstrakte Sache. Die Turnusrechnung kommt ein Mal im Jahr, also nachträglich. Dann ist es fürs Energiesparen natürlich zu spät. Kommt dann noch ein strenger Winter dazu, kommt es oft zu beträchtlichen Nachforderungen auf der Rechnung. Natürlich bezahlt man zuvor mit monatlichen Abschlägen. Aber Preiserhöhungen oder strenge Winter sind hier nicht mit einkalkuliert. Und bei uns rufen keineswegs nur Hartz-4 Empfänger an. Erst gestern rief mich eine Rentnerin an, die es kaum über die Lippen brachte, aber dann doch sagte: "Ich kann es einfach nicht mehr bezahlen". Ich habe ihr dann erstmal die monatlichen Abschlagszahlungen etwas gesenkt. Das hilft für den Moment, in der Jahresrechnung kann es dann natürlich zu einer Nachforderung kommen. Aber auf Rechnungen sind zumindest Ratenzahlungsvereinbarungen möglich, was für Abschläge nicht gilt.

Unsere Sperrkassierer haben reichlich zu tun, über fehlende Termine können sie sich nicht beklagen. Natürlich entspricht es den Tatsachen, dass es Menschen gibt, die jede Mahnung ignorieren. Wenn dann die Sperrankündigung im Briefkasten liegt, rufen sie an, um das Schlimmste noch zu verhindern. Wir haben die Regel, dass der Sperrtermin abgewendet werden kann, wenn mindestens 50% der offenen Forderung bis spätestens zum Sperrtermin bezahlt wird. Das bekommen dann viele noch mit Müh und Not hin. Aber auch diejenigen - und das ist die Mehrheit -, die Mahnungen nicht leichtfertig ignorieren, haben Schwierigkeiten, die Forderungen zu begleichen. Wir arbeiten schon viel mit Stundungen, Zahlungsvereinbarungen und Ratenzahlungsvereinbarungen. Aber das schiebt das Ganze ja letztendlich nur auf. Man gewinnt etwas Zeit, mehr nicht und am Ende summieren sich die Posten auf. Wie in meinem ersten Beitrag skizziert, plädiere ich für den Energie-Soli. Wir werden sonst bald echte Probleme bekommen. Wenn die Preise weiter steigen, werden sie für immer mehr Menschen unbezahlbar. Und Energie darf nicht zu einem Luxusgut werden! Es sollte ein Grundrecht auf ein Minimum an Energie geben, so wie es ja ein Grundrecht auf ein Existenzminimum gibt. Und die Konzerne sollten sich einmal überlegen, ob es wirklich nur um Gewinnmaximierung geht. Ich arbeite selbst für einen Versorger und kenne daher die Schicksale, die hinter der Stromrechnung stehen. Wenn sich nichts ändert, wird es bald einen großen Knall geben, da bin ich mir sicher.



© Wiebke Dorn






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