Sieg über die Hölle
- Christoph Blumhardt -





Sieg über die Hölle



Nachfolgend finden Sie die vollständige Online-Fassung des Buches "Sieg über die Hölle" von Christoph Blumhardt, Untertitel: "Die Krankheits- und Heilungsgeschichte der Gottliebin Dittus in Möttlingen."
Das Vorwort stammt von Katja Wolff. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des WFB-Verlages (www.wfb-verlag.de). Die gedruckte Fassung
(ISBN 978-3-930730-33-9) können Sie hier direkt beim Verlag bestellen: Bestellen


Sieg über die Hölle



Diese Vorgänge geben gewissermaßen den Schlüssel
zur ganzen Geschichte. Es handelte sich vorerst
um eine Seele, die dem Satan widerstand, obwohl sie
sein Band bereits an sich fühlte. Sie fühlte sich nach
der einen Seite, dem Satanischen, mit einer gewissen
Gewalt festgehalten; und ihr Inneres suchte die andere
Seite, das Göttliche. Jenem entwunden zu werden,
musste sie Treue und Glauben beweisen. So entspann
sich ein Kampf, der immer weiter und umfassender
wurde, weil auch die Finsternis nicht nachgeben wollte,
und weil auch im satanischen Reiche ein Glied am
andern hängt und alles im engsten Zusammenhang
miteinander steht. So konnte, so unscheinbar auch
die Person war, welche Veranlassung dazu gab, doch
allmählich die ganze Hölle aufgeregt, ja der Kampf
gar die Ursache werden, dass diese einen nicht geringen
Stoß rücksichtlich ihrer geheimnisvollen Kräfte
erlitt. Nachdem G. in den ersten Anfängen Treue und
Glauben bewährt hatte, ging die Forderung der Treue
und des Glaubens mehr auf mich über, welche darin
bestand, die Angefochtene um keinen Preis eine
Beute der Finsternis werden zu lassen, was nur damit
möglich war, dass ich kein anderes Mittel versuchte
als das Gebet, das an die unsichtbare göttliche Kraft
sich hielt. Auf das Leben der G. war es von Seiten des
Satans beständig abgesehen, und zwar einmal schon
darum, weil das Geheimnis des satanischen Betrugs
immer weiter offenbar wurde, wie es auch schien,
als ob das die Dämonen vornehmlich empört habe,
sodann, weil die satanische Kraft der Zauberei, die
auf dem geordneten Wege überwunden wurde, nach
Wahrnehmungen, die sich mir später und besonders
am Schlusse unwillkürlich und fast gewaltsam aufdrängten,
Gefahr lief, für immer vernichtet zu werden,
also eine Entfernung der Person den finstern
Mächten gewissermaßen um ihrer Selbsterhaltung
willen immer notwendiger schien. Was letzteres betrifft,
so war es mit Händen zu greifen, dass jede verborgene
Zauberkraft an der Person eigentlich sich erschöpfte.
Um ihr wieder aufzuhelfen, wie wenigstens
möglich schien, wenn sie gestorben, also der weitere
Kampf unterdrückt worden wäre, wurden – man verzeihe
mir den Ausdruck – immer wieder neue Batterien
vorgerückt. Weil aber auch mir Mut und Kraft
wuchs – mir selbst weitaus das größte Wunder, da
ich es nur als eine für diesen Kampf mir unmittelbar
gegebene Gnade Gottes ansehen kann –, so wurden
auch sie zu Schanden; und ein Bollwerk der Zauberei
um das andere musste niedersinken, bis endlich
der Hauptschlag am Schlusse erfolgte, da das Haupt
aller satanischen Zauberkräfte aufzutreten schien.
Ich gebe hier unerhörte Gedanken; aber der, der mir
Schirm und Schild war, und der mein Inneres kennt,
weiß es, wie langsam und ungern ich sie fasste, und
wie schwer es mir, eben um dieser scheinbaren Bedeutung
des Kampfes willen, die ich, wenn nicht das
Ganze als ein fast sinnloses Rätsel erscheinen soll,
unmöglich verschweigen kann, geworden ist, diese
schriftliche Darstellung zu geben.

Die Nachstellungen nach dem Leben der G. wurden
fast mit jedem Tage schauerlicher. Wie schon jedes
in sie eingeschmuggelte Zauberstück auf ihren Tod
zielte, so wurde sie auch sehr oft zum Selbstmord
versucht, jedoch in der Regel, ohne ein Bewusstsein
davon zu haben. Außer dem, was oben erzählt wurde,
erhängte sie sich einmal im Walde vermittelst ihres
Halstuches. Ohne zu wissen, was sie tat, trug sie
Steine zusammen, um hoch genug zu hängen, und
das Halstuch brachte sie künstlich am Baume an.
Schon hing sie, – aber das Halstuch zerriss, und der
heftige Sturz brachte sie wieder zur Besinnung. Am
gleichen Abend, noch ehe ich etwas davon wusste,
hörte ich aus ihr einen Dämon ausrufen: „dass das
Mädle nicht umzubringen ist; sie hat sich erhängt,
und der Strick hat müssen reißen.“ Mehr als einmal
kamen förmliche Blutstürze vor, bei welchen sie
nicht nur dem Tode nahe, sondern bisweilen schon
dem Tode verfallen schien. Auch bei den Erbrechungen
verschwand oft auf mehrere Minuten Atem und
Puls, und Todeszüge waren in ihrem Gesicht. Einmal
– ich erzähle es lieber vollends, obwohl man hierin
am schwersten sich finden wird – wollte sie, nur halb
bei der Besinnung, – eine Öffnung in die Haut des
Vorderleibes machen, um einer Nadel den Weg zu
bahnen. Sie stach sich mit dem Messer in den Leib;
und es tat ihr eigentlich wohl, mit dem Messer im
Leibe zu wühlen, bis der Magen durchstochen war,
worauf dann alle Speise, die sie genoss, an der Magengegend
wieder herauskam. Ihre Freundinnen bezeugten
es, und der Arzt sah die Wunde noch zu einer
Zeit, da ihr Anblick ihn von der Wahrheit des Erzählten
überzeugen konnte. Die Wunde konnte zunächst
nicht tödlich sein, weil es nicht ihre Tat war, also göttliche
Bewahrung einschritt; sie konnte es aber werden
und musste es, wenn der Glaube nicht auch hierin
die Allmacht Gottes ergriffen hätte. Einmal wurden
alle Wunden, auch die letztgenannte, plötzlich wieder
aufgerissen, und die Gefahr war aufs Äußerste
gestiegen. Ich blieb beim Glauben, der mich nie zu
Schanden machte. Als in größter Bestürzung ihre
Freundin herbeieilte und meldete, dass jede Minute
Verzug gefährlich sei, stürzte ich, ganz übernommen,
in meinem Zimmer auf die Knie nieder und redete
kühne Worte. Diesmal wollte ich – so stark wurde ich
im Augenblick – dem Teufel nicht einmal die Ehre
antun, hinzugehen, sondern ließ durch die Freundin
sagen, sie solle sich aufmachen und zu mir kommen,
sie könne es im Glauben. Es stand nicht lange an, so
kam sie die Treppen herauf; – wie es aber mir dabei
wurde, kann mir niemand nachfühlen. Übrigens bedurfte
es auch hier, wie sonst, etliche Tage zur völligen
Heilung. Außer dem vielen, das noch anzuführen
wäre, erwähne ich nur noch der Äußerung eines Dämons,
der sich für einen vor 40 Jahren in Hamburg
verstorbenen Arzt ausgab, auch seinen Namen nannte,
er habe nicht weniger als sechs Maß Gift allmählich
in sie hineingezaubert. Dies konnte erklären, dass
alles Blut und alle Flüssigkeit, die sie erbrach, einen
scharfen und höchst widrigen Geruch hatte, den ich
mit nichts Ähnlichem zu vergleichen weiß (und der
mir nur später bei einem besessenen Knaben, der
sich für vergiftet hielt, wieder vorkam). In allen diesen
und ähnlichen Dingen siegte der Name Jesus, oft
nur die Anführung der Markus 16 enthaltenen Verheißung,
oder der Spruch in Phil. 2.

Der ersehnte Schluss der Geschichte erfolgte in den
letzt verflossenen Weihnachtsfeiertagen (24. bis 28.
Dezember 1843), da sich alles, was nur je früher vorgekommen
war, noch einmal zusammenzudrängen
schien. Das Misslichste war, dass sich in diesen Tagen
die finsteren Einwirkungen auch auf den halbblinden
Bruder und eine andere Schwester, Katharina, ausdehnten,
ich also mit dreien zumal den verzweifeltsten
Kampf durchzumachen hatte, wobei deutlich der
innere Zusammenhang zu erkennen war. Den Verlauf
des einzelnen kann ich nicht mehr erzählen. Es war
zu mannigfaltig, als dass ich es hätte im Gedächtnis
behalten können. Aber Tage waren es, wie ich keine
mehr zu erleben hoffe; denn es war so weit gekommen,
dass ich, sozusagen, alles aufs Spiel zu setzen
wagen musste, wie wenn es hieße: Siegen oder sterben!
So groß übrigens auch meine Anstrengung war,
so fühlbar war mir ein göttlicher Schutz, indem ich
nicht die geringste Ermüdung und Angegriffenheit
fühlte, selbst nicht nach vierzigstündigem Wachen,
Fasten und Ringen. Der Bruder war am schnellsten
wieder frei, und zwar so, dass er sogleich tätige Hilfe
im Nachfolgenden leisten konnte. Die Hauptsache
kam aber diesmal nicht an G., welche im letzten Akt
nach vorausgegangenen Kämpfen gleichfalls völlig
frei zu sein schien, sondern an ihre Schwester Katharina,
welche früher nicht das mindeste der Art erfahren
hatte, nun aber so rasend wurde, dass sie nur
mit Mühe festgehalten werden konnte. Sie drohte,
mich in tausend Stücke zu zerreißen, und ich durfte
es nicht wagen, ihr nahe zu treten. Sie machte unaufhörliche
Versuche, mit eigener Hand, wie sie sagte,
sich den Leib aufzureißen, oder lauerte sie listig umher,
als wollte sie irgend etwas Grässliches an denen,
die sie hielten, verüben. Dabei raffelte und plärrte sie
so fürchterlich, dass man Tausende von Lästermäulern
in ihr vereinigt sich denken konnte. Am auffallendsten
war, dass sie ganz bei Besinnung blieb,
indem man mit ihr reden konnte, sie auch bei scharfen
Ermahnungen sagte, sie könne nicht anders reden
und handeln, man möchte sie doch nur recht fest
halten, dass nichts durch sie geschehe. Auch nachher
hatte sie noch von allem, selbst von den grässlichsten
Mordversuchen, bestimmte Erinnerungen; und diese
wirkten so niederschlagend auf sie, dass ich mich
mehrere Tage ihrer besonders annehmen musste, bis
nach fleißigem und ernstlichem Beten ihr die Erinnerungen
allmählich schwanden. Daneben ließ sich
dennoch der Dämon aus ihr ebenso bestimmt vernehmen,
der sich diesmal nicht als ein abgeschiedener
Menschengeist, sondern als ein vornehmer Satansengel
ausgab, als das oberste Haupt aller Zauberei, dem
vom Satan die Macht dazu erteilt worden sei, und
durch den dieses Höllenwerk nach den verschiedensten
Seiten hin zur Förderung des satanischen Reichs
sich verzweigt hätte, mit dem aber nun, da er nun in
den Abgrund fahren müsse, der Zauberei der Todesstoß
gegeben werde, an dem sie allmählich verbluten
müsse. Plötzlich, gegen 12 Uhr um Mitternacht,
war es, als erblickte er den geöffneten Feuerschlund.
Da dröhnte aus der Kehle des Mädchens zu mehreren
Malen, ja wohl eine Viertelstunde andauernd, nur
ein Schrei der Verzweiflung, mit einer erschütternden
Stärke, als müsste das Haus zusammenstürzen.
Grausenerregenderes lässt sich nichts denken, und
es konnte nicht fehlen, dass nicht die Hälfte der Bewohner
des Orts, nicht ohne besonderen Schrecken,
Kenntnis von dem Kampfe bekam. Dabei befiel die
Katharina ein so starkes Zittern, dass es war, als wollten
sich alle ihre Glieder voneinander abschütteln.
Schien so der Dämon lauter Angst und Verzweiflung
zu sein, so war nicht minder riesenhaft sein Trotz, indem
er Gott herausforderte, ein Zeichen zu tun und
nicht eher auszufahren vorgab, als bis ein den ganzen
Ort erschütterndes Zeichen vom Himmel erfolgt
wäre, damit er nicht so gemein wie andere Sünder
seine Rolle niederlegen, sondern gewissermaßen unter
Ehren in die Hölle fahren müsse. Solches schauerliche
Gemisch von Verzweiflung, Bosheit, Trotz und
Hochmut ist wohl schwerlich je irgendwo erblickt
worden. Unterdessen schien in der unsichtbaren Welt
immer rascher sein erwarteter Untergang vorbereitet
zu werden. Endlich kam der ergreifendste Augenblick,
welchen unmöglich jemand genügend sich
vorstellen kann, der nicht Augen- und Ohrenzeuge
war. Um 2 Uhr morgens brüllte der angebliche Satansengel,
wobei das Mädchen den Kopf und Oberleib
über die Lehne des Stuhls zurückbog, mit einer
Stimme, die man kaum bei einer menschlichen Kehle
für möglich halten sollte, die Worte heraus: „Jesus ist
Sieger! Jesus ist Sieger!“, Worte, die, so weit sie ertönten,
auch verstanden wurden und auf viele Personen
einen unauslöschlichen Eindruck machten. Nun
schien die Macht und Kraft des Dämons mit jedem
Augenblicke mehr gebrochen zu werden. Er wurde
immer stiller und ruhiger, konnte immer weniger Bewegungen
machen und verschwand zuletzt ganz unmerklich,
wie das Lebenslicht eines Sterbenden erlischt,
jedoch erst gegen 8 Uhr morgens.

Das war der Zeitpunkt, da der zweijährige Kampf zu
Ende ging. dass dem so sei, fühlte ich so sicher und
bestimmt, dass ich nicht umhin konnte, am Sonntag,
tags darauf, da ich über den Lobgesang der Maria zu
predigen hatte, meine triumphierende Freude merken
zu lassen. Es gab freilich hintennach noch mancherlei
aufzuräumen, aber es war nur der Schutt eines zusammengestürzten
Gebäudes. Mit dem halbblinden
Bruder, einem bescheidenen und demütigen, auch
christlich sehr verständigen Menschen, der viel Glauben
und Gebetskraft hat, hatte ich fast nichts mehr zu
schaffen; und die an ihn gekommenen satanischen
Angriffe sind andern Leuten kaum bemerklich geworden.
Die Katharina hatte noch eine Zeitlang je
und je krampfartige Bewegungen infolge der außerordentlichen
Angegriffenheit des Gemüts, war aber
bald wieder völlig hergestellt; und was mit ihr vorgefallen
war, hat, möchte ich sagen, niemand erfahren.
Etwas Mehreres stellte sich noch in der nächsten Zeit
bei der G. ein; aber es waren mehr nur erneuerte, jedoch
von selbst misslingende Versuche der Finsternis
mit Früherem, die mich weiter nicht viel in Anspruch
nahmen. Ja, unter diesen Nachzüglern geschah es allmählich,
dass sie zu einer vollkommenen Gesundheit
gelangte. Alle ihre früheren Gebrechen, die den Ärzten
wohl bekannt waren, wurden ganz aufgehoben,
die hohe Seite, der kurze Fuß, die Magenübel usw.
Dabei wurde ihre Gesundheit immer fester und dauerhafter;
und jetzt steht es seit geraumer Zeit mit ihr
so, dass sie in jeder Hinsieht als vollkommen hergestellt,
als ein wahres Wunder Gottes angesehen werden
kann. Ihr christlicher Sinn hat auch auf eine erfreuliche
Weise zugenommen, und ihre stille Demut,
ihre gediegene und verständige Rede, mit Entschiedenheit
und Bescheidenheit gepaart, macht sie zu einem
gesegneten Werkzeug an vieler Herzen. Was den
Wert ihres Charakters am deutlichsten zu erkennen
gibt, ist das, dass mir keine weibliche Person bekannt
ist, die mit so viel Einsicht, Liebe, Geduld und Schonung
Kinder zu behandeln wüsste, weswegen ich bei
nötig werdender Aushilfe am liebsten ihr meine Kinder
anvertraue; und wie sie schon im vorigen Jahre
Industrielehrerin zu aller Zufriedenheit gewesen war,
wobei ich nur mit dankbarem Erstaunen auf die bewahrende
göttliche Vorsehung zurückblicken kann,
infolge deren sie in der sonst so schweren Zeit auch
nicht ein einziges Mal genötigt war, den Unterricht
einzustellen, so konnte ich jetzt, da eine Kleinkinderschuhe
errichtet werden sollte, keine Person finden,
die so geeignet wie sie gewesen wäre, dieselbe
zu übernehmen.

Möttlingen, den 11. August 1844.
Pfarrer Blumhardt.



Nachschrift

Da nach der Abfassung obigen Aufsatzes nun schon
volle sechs Jahre verstrichen sind, so wird der Leser
begierig sein, zu hören, wie es jetzt mit der G. stehe.
Ich bemerke einfach, dass dieselbe seit vier Jahren
ganz in mein Haus eingekehrt ist, als die treueste
und verständigste Stütze meiner Frau in der Haushaltung
und Kindererziehung, der meine Frau alles
ins Haushaltungswesen Einschlagende, Kleines und
Großes, unbedingt anvertrauen und nach Umständen
überlassen darf. Was sie unserm Hause und allen
Personen, die bei uns ein- und ausgehen, ist, lasse ich
andere bezeugen, da ich weiß, dass, wer sie kennenlernt,
nicht versäumt, seine Achtung und Wertschätzung
ihrer Person überall auszusprechen. Mir ist sie
namentlich auch für Behandlung von geisteskranken
Personen nahezu unentbehrlich geworden, da dieselben
alsbald das ungemessenste Zutrauen zu ihr bekommen,
so dass mein Umgang mit ihnen nur wenig
Zeit erfordert. Übrigens ist sie nicht als eine Dienstperson
bei uns, da ihre Dankbarkeit sich für das, was
sie für uns tut, nicht will bezahlen lassen, sondern sie
betrachtet und fühlt sich als von uns an Kindesstatt
angenommen, was nun auch mit ihrer Schwester Katharina
und dem erwähnten halbblinden Bruder der
Fall geworden ist.

Möttlingen, den 31. Juli 1850.
Pfarrer Blumhardt




Anhang

Man kann sich denken, dass Blumhardt, nachdem sein
Bericht über die Befreiung der Gottliebin Dittus (zunächst
gegen seinen Willen) bekannter wurde, auch
heftigen Angriffen ausgesetzt war. Deshalb verfasste
er eine Verteidigungsschrift, 1850 veröffentlicht, aus
der hier noch einige Abschnitte zitiert werden sollen:
„Ich hätte können freilich, möchte man sagen, klüger
sein und in meinem Berichte das, was man mir als
den ungemessensten Eigendünkel auslegen konnte,
füglich weglassen, weil man ja längst gewohnt ist,
Geschichten von dämonischen Erscheinungen, namentlich
von Somnambulen, ohne einen vernünftigen
Ausgang sich schließen zu sehen. Aber ich habe
das alles wohl gefühlt, und man glaube ja nicht, dass
ich in der Dummheit allzu ehrlich gewesen sei. Wenn
ich berichten musste, und dazu war ich beauftragt, so
wollte ich nicht gegen die Wahrheit es so darstellen,
als ob eben da einmal wieder eine dämonische Scharlatanerie
oder Sonderbarkeit vorgekommen sei, wie
man sie in den letzten Jahrzehnten schon oft gehört
und gesehen hat. Ich hätte mich geschämt, in die Reihe
der abenteuerlichen Sonderlinge mich einreihen
zu lassen, welche so häufig nur ein irriges Spiel mit
Erscheinungen und Ereignissen aus der anderen Welt
treiben; ich stand in der Furcht Gottes bei jener Sache,
und wenn die letztere ein viel ernsteres Gewand
bekam, als alle Geschichten ähnlicher Art sonst haben,
so musste ich eben das schon zu meiner Selbstrechtfertigung
meiner Behörde deutlich machen.
Schrieb ich einmal etwas, so musste ich alles schreiben,
und so sage ich offen und ohne Vorbehalt heraus,
wie ich handelte und dachte; so konnte ich auch
um so getroster jedes Resultat erwarten, und war ich
etwa verkehrt oder im Irrtum oder im Eigendünkel,
so sollte das meine Behörde wissen oder zu beurteilen
imstande sein, denn ich will einmal nicht in einen
stummen Eigensinn mich verrammeln, wie es allerdings
in gegenwärtiger Zeit manche falsche Richtungen
und dämonische Geistlichkeiten tun, da die Betrogenen
im Verborgenen mancherlei ausbrüten und
niemanden, der nicht schon ganz ihnen angehört, in
ihre Heimlichkeiten hineinschauen lassen; meine Sache
sollte ans Licht und im Lichte geprüft werden
– aber wohlgemerkt, nur als eine Art Beichtgeheimnis
gegenüber meiner Behörde; dieser wollte ich es
sagen und vorerst sonst niemandem. Ich habe auch
Wort gehalten.“
„Das eben, dass von keiner Seite her eine Stimme,
eine ernstliche, tatkräftige Stimme gegen den Heidengreuel
sich erhob, machte, dass jedermann sicher
war, und oft waren‘s gerade redliche Seelen,
welche elende und kranke Personen zum Gebrauch
solcher Geheimmittel noch aufmunterten und diese
unbegreiflicherweise entweder darum, weil man
dazu bete unter Anrufung der höchsten Namen, für
etwas Rechtes hielten oder mindestens darum für etwas
Gleichgültiges, weil es etwas sei, dahinter nichts
als unbekannte Gesetze der Natur steckten. So haben
sich die Elenden und mit Plagen Heimgesuchten
zu jedem Dienst hergegeben und sich selber vor dem
Grausesten nicht zurückgestrebt, haben Zauberzettel
bei sich herumgetragen, darauf unter anderem stand:
„In der Hölle sehen wir uns wieder“, ohne zu wissen,
wie sie trugen, jedenfalls Zettel mit allerlei abergläubischen
Figuren und Buchstaben, auch sogenannten
Hexenfüßen, wobei noch dazu heilige Geschichten
und Worte lästerlich missbraucht wurden, und haben
solches auf bloßem Leibe Tag und Nacht getragen
oder in Ställe, Bäume, Türpfosten, Bettladen zu
unheimlicher Stunde eingegraben, haben sich auch
nicht gescheut, die Ruhestätten der Toten bei Nacht
zu durchwühlen, um mit gefundenen Beinen Greuel
zu treiben. Doch was soll ich da das alles nennen,
was in dicken Büchern nicht erschöpft werden könnte
und in feinerer, bisweilen fast unmerklicher Art
selbst alle Stände durchläuft? Aber die Folge davon
war ein Bann, der oft trotz allem Glauben an das Verdienst
Jesu auf den Armen liegenblieb, weil die Sünde
selbst von ihnen nicht erkannt war, während sie‘s
hätten erkennen können, wenn sie hätten aufmerken
wollen. So gibt es noch manche andere Sünden, die
auch gläubige Christen ohne alle Scheu, obwohl zuzeiten
mit innerer Zurückhaltung, tun, und darüber
sie nie zur Erkenntnis kommen, sie aber auch niemand
zur Erkenntnis führt. Da gibt‘s dann einen Aufenthalt
nach dem Tode bei vielen; denn Christus ist
kein Sündendiener. Es bleiben satanische Verstrickungen
übrig, die gelöst werden müssen, irgendwie,
da der Rat Gottes doch nicht der sein kann, solche
bisweilen in mancher Beziehung unschuldig und redlich
zu nennende Seelen nun ohne weiteres in Bann
zu lassen und in ewige Verdammnis zu stürzen. Kein
Bann auf der Christenheit lag aber so schwer wie der
der mehrfällig erwähnten Zauberei, an den niemand
denkt und denken will. Mir aber ist nun Gelegenheit
geworden, diesen Bann zu erkennen und dagegen
zu wirken; und glauben kann ich‘s, dass durch einen
Kampf, wie ich ihn gehabt habe, für viele auch in jener
Welt eine Befreiung möglich ist, die sie freilich
noch lebend schon damit gefunden hätten, wenn sie,
was fehlte, erkannt und im Blute Christi sich gereinigt
hätten. Hierzu aber, und das ist mir das Wichtigste,
ist mir jetzt eine Stimme gegeben; und mein
Eifer als Diener des Evangeliums bleibt darauf gerichtet,
dafür Sorge zu tragen, dass, wer glaubt, einen
lauteren und keuschen Glauben habe und behalte bis
ans Ende.“



Christoph Blumhardt

Ende




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