Sieg über die Hölle
- Christoph Blumhardt -





Sieg über die Hölle



Nachfolgend finden Sie die vollständige Online-Fassung des Buches "Sieg über die Hölle" von Christoph Blumhardt, Untertitel: "Die Krankheits- und Heilungsgeschichte der Gottliebin Dittus in Möttlingen."
Das Vorwort stammt von Katja Wolff. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des WFB-Verlages (www.wfb-verlag.de). Die gedruckte Fassung
(ISBN 978-3-930730-33-9) können Sie hier direkt beim Verlag bestellen: Bestellen


Sieg über die Hölle



Ich danke Gott, dass ich von Anfang an von dem
Grundsatz ausgegangen bin, keine Beschuldigung,
zu der ich oft Veranlassung hatte, bei mir aufkommen
zu lassen, und niemand für das anzusehen, wofür
ich ihn hätte vielleicht ansehen können. Ich wäre
dadurch in eine schauerliche Verwirrung geraten, in
welcher Satan mit mir und meiner Sache gewonnenes
Spiel gehabt hätte. – Wenn übrigens der gebundene
Mensch von dem, was er im Geiste tut oder zu
tun gezwungen ist, kein Bewusstsein im gewöhnlichen
Leben hat, so folgt daraus nicht, dass er dafür
nicht zurechnungsfähig ist. Er ist es schon darum,
weil die Sünde der Abgötterei seiner Gebundenheit
zugrunde liegt, sodann, weil auch im Geiste ihm der
freie Wille bleibt, dem Satan sich völliger hinzugeben
oder nicht. Alle Zurechnung und Folge aber mag
verschwinden, wenn nur die getriebene Abgötterei
erkannt und bereut wird als eine der schwersten Sünden,
weil sie direkt wider das erste Gebot geschieht
und den eigentlichen Abfall von Gott ausmacht. Weil
aber die Abgöttereisünden im Leben sollen bereut
werden, was aber nicht geschieht, indem man entweder
keine Gefahr daraus fürchtet, oder wenigstens,
wenn man auch ein unerklärliches Grauen davor hat,
die Gefahr nicht erkennt und nicht hoch genug anschlägt,
so dauert meist die Gebundenheit nach dem
Tode fort. Jetzt gehen dem betrogenen und durch des
Teufels List gefangenen Menschen die Augen auf.
Jetzt bleibt es ihm aber auch noch freigestellt, ob er
sich dem Dienste Satans völlig hingeben wolle oder
nicht. Im ersten Falle wird er förmlicher Zaubergeist,
der nun vom Satan angehalten wird, vermittelst anderer
lebender Zauberer auf verschiedene Weise diese
Menschen zu plagen, entweder an ihrem Leibe
oder an ihrem Viehbesitz oder sonst. Der Zweck dieser
Plagen ist kein anderer, als die Menschen so in
die Enge zu treiben, dass sie wiederum zu abergläubischen
und abgöttischen Mitteln greifen, um selbst
wieder verstrickt zu werden. So erscheinen viele Unglücksfälle,
die den Menschen treffen, als eigentliche
Hiobsprüfungen, von Gott zugelassen, weil sich ergeben
soll, ob der Mensch darüber Gott gesegnen
wolle oder nicht. Ach, wie leben und handeln doch
die Menschen so sicher in den Tag hinein! – Die Zauberei
der Lebenden hat übrigens viele Stufen. Auf
der niedrigsten Stufe stehen diejenigen, welche nur
etwa, wie man sagt, sich, d. h. an und für sich gebrauchen
lassen und dadurch sich verstricken, ohne
fortan ein Bewusstsein davon zu haben. Die höchste
Stufe ist die eigentliche Schwarzkunst, bei welcher
der Mensch mit vollkommenem Bewusstsein dem
Satan dient, der ihm die Kräfte verleiht. In der Mitte
zwischen beiden Klassen stehen diejenigen, die aus
dem Gebrauch von Zaubermitteln ein Gewerbe machen
und sich von den Leuten gebrauchen und holen
lassen, wobei sie gewöhnlich nach gedruckten Büchlein,
deren viele unter dem Volke verbreitet sind, und
die eigentliche Offenbarungen des Satans sind, oder
nach Tradition ihr Wesen treiben. Diese dritte Gattung
von Zauberern kann lange Zeit mit dem scheinbaren
Bewusstsein, Wohltäter der Menschen zu sein,
ja mit dem Rufe großer Frömmigkeit, ihre Formeln
sprechen und Manipulationen vornehmen, obwohl
stets mit bösem Gewissen, wird aber durch dieses
Heidenwerk immer tiefer verstrickt und tritt der Gefahr,
eigentlicher Schwarzkünstler zu werden, immer
näher. Am nächsten aber, wiewohl vielleicht immer
noch betrogen, sind diejenigen, welche vom Teufel,
dass ich so sage, geradezu Geister zu Ratgebern erhalten,
und die den Namen und das Alter von den
Hilfe suchenden Leuten verlangen, vermittelst deren
sie sich bei den Geistern befragen. Diese Dämonen
erscheinen ihnen durch gewisse Mittel, die sie anwenden,
auch vermittelst eines Spiegels entweder
sichtbar oder unsichtbar, und beantworten die an sie
gemachten Fragen, natürlich nicht ohne Interesse für
das Reich der Finsternis. So kommen Christen dazu,
sich bei Baal-Sebub Rats zu erholen. (2. Kön. 1.) –
Eigentliche Schwarzkünstler sind die, welche, sozusagen,
einen förmlichen Bund mit dem Teufel geschlossen
haben, was entweder einzeln oder durch
Anschluss an gewisse Gesellschaften, denen solcher
Bund insgeheim zugrunde liegt, geschehen mag. In
beiden Fällen finden Unterschreibungen mit Blut
statt, indem man sich in die Finger oder sonst wohin
ritzt und das ausfließende Blut zur Namensunterschrift
benützt. Geschieht eine Verschreibung einzeln,
so kann es entweder durch eine förmliche satanische
Verschreibung, von welcher aber der Mensch
nicht immer das Bewusstsein behält, oder im Geiste
geschehen, da dem Menschen abermals kein Bewusstsein
davon bleibt. Was die Schwarzkünstler suchen,
ist hauptsächlich Glück, Wollust, Geld und
Schutz wider die Gefahren des Leibes; und die Künste,
die sie besitzen, sind sehr mannigfaltig. Sie können
sich Geld verschaffen, sich unsichtbar machen,
gerade wie nach dem obigen materielle Gegenstände
unsichtbar gemacht werden können, in wenigen Augenblicken
Hunderte von Meilen sich entfernen, und
zwar mit ihrer ganzen Persönlichkeit. Namentlich
können sie Hunderte von Stunden weit Menschen töten;
und auch Schlagflüsse, an denen oft die gesündesten
Menschen unerwartet hinsterben, können Folgen
eines Zauberschlags aus näherer oder fernerer
Entfernung sein. Auch Brandstiftungen verüben sie
unsichtbar. Ich muss es natürlich jedermann freigestellt
sein lassen, von diesen Dingen zu glauben, was
er will; aber ach! der schauerlichen Gewissheit, die
mir von dem Vorhandensein derselben geworden ist!
Aber ein im Glauben an Den, der der Schlange den
Kopf zertreten, unternommener Kampf wider diese
finstern Kräfte konnte unmöglich des Sieges verfehlen.
Größer noch ist unser Herr!

Obige Bemerkungen sind teils auf Tatsachen begründet,
die in meinem Kampfe vorgekommen sind, teils
auf zerstreute, unzusammenhängende Äußerungen
solcher scheinbaren Dämonen, die Befreiung suchten
oder gefunden hatten, teils auf sonstige psychologische
Erfahrungen und Beobachtungen, die ich bei
einmal für diese Dinge geöffneten Augen zu machen
Gelegenheit genug hatte. Man könnte mir vielleicht
den Vorwurf machen, ich hätte dergleichen Dingen
zu sehr nachgespürt und eine träumerische Phantasie
dabei obwalten lassen. Allein zu phantastischen Grübeleien
hatte ich wahrlich keine Zeit. Man denke sich
neben meinem Amte, dem ich mit ganzer Liebe stets
und vornehmlich in den letzten Jahren alle Aufmerksamkeit
schenkte, indem ich, wie die Pfarrberichte
darlegen, viel, besonders sowohl im Mutterorte,
als auf dem Filial, vornahm, um belehrend und weckend
auf meine Gemeinde einzuwirken, obige fast
2 Jahre fortgehende Kämpfe, die Zeit und Gemüt in
so hohem Grade in Anspruch nahmen! Dennoch war
ich in dieser ganzen Zeit auch schriftstellerisch tätig,
indem ich die Monatsblätter für öffentliche Missionsstunden
verfasste, Aufsätze in die Barth‘schen
Jugendblätter lieferte, wie über die Erscheinungen
und Wirkungen des Lichts, ferner ein Handbüchlein
der Weltgeschichte und ein anderes der Missionsgeschichte
und Missionsgeographie bearbeitete, von
welchem das zweite mich, so weit ich übrige Augenblicke
hatte, in Berge von deutschen, englischen und
französischen Missionsschriften eingrub, und das
eben jetzt die Presse verlässt. Ich konnte auch nicht
untätig bleiben bei der Regsamkeit in unserm Vaterlande
für das neue Gesangbuch und die neue Liturgie
und lieferte Aufsätze ein, auch zweimal ausgedehnte
Entwürfe zu einem neuen Choralbuche, wobei ich mit
vieler Mühe alte Choräle und Melodien aus vielen alten
Schriften aufsuchte und zusammentrug. Um neues
Interesse für den Choral zu wecken, ließ ich auch
eine Sammlung in den Druck kommen, nachdem ich
zu diesem Zweck in die Theorie des musikalischen
Satzes mich erst einüben musste. Daneben hielt ich
im vorigen Sommer als Schulkonferenzdirektor einen
doppelten Lehrkursus, teils über die Behandlung
der deutschen Sprachlehre in den Volksschulen, teils
über das Leben des Apostels Paulus, und ließ fortlaufende
Aufsätze darüber unter den Lehrern kursieren.
Dieses alles wage ich hier – und ich bin versichert,
dass man mir es nicht übel auslegen wird – anzuführen,
um zu beweisen, dass ich gerade damals keine
übrige Zeit hatte, auch nicht suchte, übertriebenen
Phantasien nachzuhängen; und wer die erwähnten
Arbeiten nur flüchtig übersieht, wird schwerlich einer
krankhaften Einbildungskraft mich zeihen können.
Es waren stets unmittelbare und lange unverstandene
Eindrücke, die ich unter meiner Geschichte
erhielt und bis aufs weitere unbearbeitet liegen ließ,
doch im Geiste sammelte, bis sie endlich sich selbst
in einen schauerlichen Zusammenhang fügten. Erst
mit dem Schluss der Geschichte wurde ich über das
Ganze und Einzelne klar. Zu diesem Schlusse eile
ich jetzt, der mich jedoch, um verstanden zu werden,
abermals zu einem allgemeinen Überblick leitet.
Wie es denn komme, dass gerade bei der G., einer
seit manchen Jahren entschiedenen und gediegenen,
christlich denkenden Person, in solcher Masse
so schauderhafte satanische Anfechtungen vorkommen
konnten, das ist vielen, die von der Sache hören,
ein Rätsel. Mit dem Blicke, dieses scheinbare Rätsel
einigermaßen zu lösen, teile ich Nachstehendes aus
der früheren Geschichte der G. mit, wie ich es aus
ihrem Munde allmählich und zusammenhanglos, ich
möchte sagen, zufällig, erfuhr, aber erst gegen den
Schluss hin beobachtenswert und bedeutungsvoll finden
konnte, obgleich es abermals in unerhörte Dinge
hineinführt. Man sehe mir den direkten als den
bequemeren Erzählungsstil nach. -
G. weiß schon aus ihrer Kindheit Umstände zu erzählen,
die auf Nachstellungen hindeuten, sie in das
Netz der Zauberei zu verflechten; und ich bedauere,
sogleich aufs neue etwas berühren zu müssen, das
in der Regel zu dem märchenhaftesten Aberglauben
gerechnet wird, und das ich doch jetzt Ursache habe,
nicht mehr so ganz wegwerfen zu dürfen. Sie stand
bald nach ihrer Geburt in Gefahr, unsichtbar weggetragen
zu werden. Ihre Mutter, die vor 10 Jahren gestorben
ist, erzählte ihr oft, sie habe das Kind neben
sich im Bette gehabt, und im Schlafe sei ihr plötzlich
bange um das Kind geworden, sei erwacht, habe
das Kind nicht gefühlt und ausgerufen: „Herr Jesus,
mein Kind!“ Da fiel etwas an der Stubentür zu Boden,
und es war das Kind. Dasselbe kam auf ähnliche
Weise noch einmal vor. Die Kinder, an deren Stelle
die Sage sog. Wechselkinder gesetzt werden lässt,
scheinen, wenn die Sache einige Realität hat, nach
Schlüssen aus einer weiteren Erfahrung dazu bestimmt
gewesen zu sein, Zauberern in die Hände zu
fallen und durch diese in das ganze Gebiet der Zauberei
von früh auf eingeweiht zu werden. Solche abergläubisch
lautende Dinge hatten für mich früher nie
eine Bedeutung und bekamen sie in diesem Falle erst
durch die Betrachtung über die mit der G. gemachten
Erfahrungen. Bald kam das Kind zu einer Base, die
allgemein als böse Person gefürchtet war, und die zu
dem siebenjährigen Kinde sagte: „Wenn Du einmal
10 Jahre alt bist (dies der auch sonst laut gewordene
Termin der Möglichkeit einer Einweihung in die
Zauberei), dann will ich Dich etwas Rechtes lehren“;
ferner: „Wenn Du nur nicht G. hießest und andere
Paten hättest, so wollte ich Dir große Macht in der
Welt verschaffen.“ Dergleichen Äußerungen kamen
schon dem Kinde bedenklich vor; und unter den stillen
Gedanken, die es sich darüber mache, fiel ihm jedesmal
der Spruch ein: „Unser Herr ist groß und von
großer Kraft, und ist unbegreiflich, wie Er regiert“,
mit dem Sinn, dass doch Gott allein es sei, der die
Welt regiere.

Die Base starb, als das Kind erst 8 Jahre alt war. Indessen
wurden auch bei dem letzteren, wie eben der
Unverstand des Volkes es zur Gewohnheit gemacht
hatte, je und je sympathetische oder zauberartige
Mittel bei Krankheiten angewendet, woher es kam,
dass sie, wie andere, in einige Verstrickung geriet.
Die Fähigkeiten des Geistes, die sie besaß, machten
den Unterricht, den sie durch Pfarrer Barth erhielt,
sehr fruchtbar an ihrem Herzen. Ihre lautere Gottesfurcht
bewahrte sie vor noch tieferen Verstrickungen
in Sünden der Abgötterei; und, durch fromme Eltern
gewarnt, scheute sie frühzeitig alles, was daran
hinstreifte. Indessen – ich erzähle nach den Ergebnissen,
die sich erst im Verlaufe ihrer dämonischen
Krankheit herausstellten – war sie eben doch schon
gebunden, und in einem Grade, bei dem sie nach dem
Prinzip der Finsternis im Geiste zur Plage anderer
missbraucht werden sollte, ohne, wie dies immer bei
geringerer Gebundenheit der Fall ist, Ahnung oder
Gefühl davon zu haben. Ihr Geist aber, wie dies nach
der früheren Darstellung möglich ist, widerstrebte
den Zumutungen der Finsternis, was ihr den Hass der
letzteren zuzog. Es entstand, wie es scheint, eine Art
Spannung zwischen ihr und dem finstern Reiche; und
dieses, das in sich selbst auch einig sein will, setzte
ihr, als einer Abtrünnigen, nach. Es handelte sich nun
darum, sie entweder wirklich in die Zauberei zu verlocken,
und zwar in die tiefste Zauberei, weil sie nur
so dem Satan gesichert zu werden schien, oder sie
aus der Welt zu schaffen, damit durch ihren Widerstand
dem finstern Reiche kein Nachteil erwachse.
So war die Aufgabe der G., wie später die meinige,
Treue und Glauben, Treue wider alle und jede Abgöttereisünde
und Glauben an die die Treuen schützende
Macht Gottes, auch wenn die ganze Hölle sich
aufmache. Beides ging still Hand in Hand bei der G.
fort, und dass sie in beidem Tag für Tag, ohne eine
Ahnung von der Wichtigkeit zu haben, bewahrt wurde,
schätzt sie jetzt als das größte Wunder, das an ihr
geschah.

Die Versuchungen der Zauberei kamen unmittelbar
an sie. Da sie sehr arm ist, so sollte die Armut ihr
zum Strick werden. Da geschah es im Februar 1840,
da ihre beiden Eltern schon gestorben waren und sie
schon in der anfangs erwähnten Stube wohnte, dass
sie einmal für sich und ihre Geschwister nur etwas
Brot im Hause hatte und sonst noch einen Groschen
besaß. Mit letzterem machte sie sich auf den Weg,
um einen Topf Milch zu holen. Während sie ging,
dachte sie bei sich selbst: „Wenn Du nur noch einen
Groschen hättest, dann könntest Du auch gleich Salz
zu einer Suppe mitnehmen.“ Indem sie so dachte,
fühlte sie plötzlich zwei Groschen in der Hand. Es
war ihr nicht wohl dabei, weil ihr gewisse Sagen von
Zaubergeld einfielen, die unter dem Volk im Umlauf
sind; und sie geriet in Sorge, wenn sie für die Milch
ausbezahlen sollte. Glücklicherweise wurde ihr diese
geschenkt; und so konnte sie im Besitze von zwei
Groschen ihren Rückweg nehmen. Da kam sie über
einen Wassergraben, und bis dahin war ihre Angst so
hoch gestiegen, dass sie plötzlich beide Groschen ins
Wasser warf und ausrief: „Nein, Teufel, so kriegst Du
mich noch nicht; Gott wird mich schon durchbringen.“
Es wurde ihr hierbei ganz leicht: allein, wie sie
in ihre Stubenkammer trat, so lag es auf dem Boden
herum voll von Talern. Sie erschrak und stieß mit den
Füßen dran herum, ob es wirklich Taler wären. Sie
hörte den Klang, sah deutlich die Gestalt und konnte
nichts anderes denken, als es sei wirklich Geld. Aber
woher das Geld? Bei diesem Gedanken konnte sie
nur erschrecken, weil ihr eine solche seltsame Hilfe
nicht göttlich vorkam. Sie trat zur Stube heraus
und wieder in die Kammer, ob sie sich nicht täusche.
Aber in der Kammer lag‘s immer voll von Talern,
während in der Stube nichts zu sehen war. Indes kam
ein vierjähriger Knabe; zu dem sagte sie: „Geh‘ einmal
in die Kammer; was Du findest, ist Dein!“ Der
kommt zurück und sagte: „Bäsle, ich finde nichts!“
Sie sieht selbst wieder nach, und die Taler waren
wirklich wieder verschwunden. So ging es ihr oft
und viel. Aber der geringste Gedanke, einen solchen
Taler auch nur anzurühren, überzog sie mit Grauen;
und sie zog es vor, in der bittersten Armut zu bleiben,
als, wie sie sagte, vom Teufel sich reich machen zu
lassen. Auch in der Zeit, da die Besitzungen schon
angefangen hatten, kamen ihr Versuchungen der Art
entgegen, und noch ehe ich von obigem wusste, hörte
ich die Dämonen aus ihr sagen: „dass das Mädle doch
nichts annehmen will; wir haben‘s ihr doch immer so
geschickt hingelegt.“ Auch der oben erzählte Fund
mit Geldstücken mag Bezug Hierher gehabt haben.
Als der Boden der Kammer aufgedeckt war, glaubte
sie immer eine Kapsel zu sehen, aus welcher es mit
lauter Talern schimmere; und sie sagte, sie meine,
wir hätten nicht recht gesucht. Weil die Sage ging, es
seien einmal 300 fl. von der früheren Hausbesitzerin
irgendwo gestohlen worden, so konnte man die Möglichkeit,
Geld zu finden, nicht ganz wegwerfen; und
wir sahen in ihrem Beisein noch einmal nach, auch
mit der Hoffnung, jenem Spuk ein Ende zu machen.
Aber statt Geld zu finden, fiel sie sogleich, als sie
an den Ort hindeutete, in tiefe Ohnmacht, was deutlich
zeigte, dass ein Satansbetrug dahinterstecke. Sie
sollte, mussten wir später denken, dieses Geld heimlich
finden und behalten, wenn der Zweck der Finsternis
erreicht werden wollte. Denn Heimlichkeit
und tiefste Verborgenheit war die Macht der Finsternis
in diesem Gebiete. Im Verlaufe wurde noch
öfter von solchem Betrug Satans, Seelen zu verderben,
die Rede; und die Art und Weise, wie eigentliche
Schwarzkünstler, nach den Äußerungen eines
Dämons zu schließen, solches Geld sich verschaffen
oder verschaffen wollten, ist zu schauerlich, als
dass ich es nacherzählen möchte, wiewohl ich mich
auch scheue, Nebendinge, die nicht zum Verständnis
meiner Geschichte wichtig sind, anzuführen. Das
meiste überhörte ich in der Regel, weil ich nie ohne
weiteres traute; nur der in der Folge hervortretende
Zusammenhang macht mir manches beachtenswert,
das es mir vorher nicht gewesen war. So verhielt es
sich auch mit dem Umstande, der jetzt folgte. Nachdem
offenbare Versuchungen zu abgöttischem Abfall
von Gott bei der G. nichts fruchteten, zeigte sich die
Schlange noch listiger. Sie kam einmal, da es ihr und
den Ihrigen abermals an allen Lebensmitteln mangelte,
beunruhigt und gedrückt in ihre Stube und sah
auf dem Tische zu ihrem Erstaunen einen Ärmel von
einem Mannshemde voll Mehl, nebst einem Sechsbätzner,
der oben darauf in einem Papier eingewickelt
lag. Durch das Frühere vorsichtig gemacht,
wurde es ihr abermals unheimlich zu Mute. Wie kam
das Mehl herein? Die Stube war verschlossen, und
vom Fenster aus konnte es nicht auf den Tisch gelegt
werden. Dazu macht das sonderbare Behältnis
das Geschenk verdächtig. Als sie nach dem Geld sah,
so las sie auf dem Papiere die Worte: „Christi Blut
und Gerechtigkeit, das ist mein Schmuck und Ehrenkleid!“
– „Nun“, dachte sie, jedoch nur, weil sie gerne
so dachte, denn ihr unheimliches Gefühl brachte
sie damit nicht hinweg, – „das kann nichts Unrechtes
sein, das brauchst Du.“ Sie behielt also Geld und
Mehl und tat das nicht ohne Dank gegen Gott, wiewohl
sie den Geber trotz alles Nachfragens nicht entdecken
konnte. Dennoch schrieb sie in der Folge diesem
Mehl die meisten Verzauberungen zu, die an ihr
hervortraten, wenigstens die Möglichkeit für noch
weitere. Auch wurde es später wirklich von einem
Dämon geäußert, dass es alles Teufelsbetrug gewesen
sei und sie dieses Mehl nicht hätte verbrauchen
sollen. Will man dieser in mannigfacher Hinsicht bedenklichen
Sache Glauben schenken, so muss man
eine Zulassung annehmen, welche höhere Zwecke
im Auge hatte, und wenn auch der Gebrauch scheinbar
zunächst höchst schädlich war, so konnte er nicht
zu eigentlicher Sünde gerechnet werden, also an und
für sich auch nicht zum Verderben führen, weil der
Sinn und Wille redlich blieb. Aber die Glaubensprobe
war jetzt um einen bedeutenden Grad schwieriger
geworden.



Christoph Blumhardt

Fortsetzung:
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