Sieg über die Hölle
- Christoph Blumhardt -





Sieg über die Hölle



Nachfolgend finden Sie die vollständige Online-Fassung des Buches "Sieg über die Hölle" von Christoph Blumhardt, Untertitel: "Die Krankheits- und Heilungsgeschichte der Gottliebin Dittus in Möttlingen."
Das Vorwort stammt von Katja Wolff. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des WFB-Verlages (www.wfb-verlag.de). Die gedruckte Fassung
(ISBN 978-3-930730-33-9) können Sie hier direkt beim Verlag bestellen: Bestellen


Sieg über die Hölle



Ich gab lange Zeit ihren Reden kein Gehör und kam
oft in großes Gedränge, wenn ich den schmerzvollen
Ausdruck im Gesicht, die flehentlich emporgehobenen
Hände und den heftigen Tränenstrom, der
aus den Augen floss, sah, und dabei Töne und Seufzer
der Angst, Verzweiflung und Bitte hörte, die einen
Stein hätten erweichen sollen. So sehr ich daher
mich sträubte, auf irgendeine Erlösungsmanier
einzugehen, weil ich bei allem, was vorkam, immer
zuerst an einen etwaigen gefährlichen und verderblichen
Betrug des Teufels dachte und für die Nüchternheit
meines evangelischen Glaubens fürchtete, so
konnte ich doch zuletzt nicht umhin, eine Probe zu
machen, besonders, da gerade diese Dämonen, die
einige Hoffnung für sich zu haben schienen, weder
durch Drohungen, noch durch Anmahnungen sich
zum Weichen bringen ließen. Der erste Dämon, bei
welchem ich es, soviel ich mich erinnere, wagte, war
jenes Weib, durch welches die ganze Sache angeregt
schien. Sie zeigte sich wieder in der G. und rief fest
und entschieden, sie wollte des Heilands und nicht
des Teufels sein. Dann sagte sie, wie viel durch die
bisherigen Kämpfe in der Geisterwelt verändert worden
sei. Mein Glück aber sei das gewesen, dass ich
ganz allein beim Worte Gottes und dem Gebet geblieben
sei. Wenn ich etwas anderes als das versucht
und etwa zu geheimnisvoll wirkenden Mitteln meine
Zuflucht genommen hätte, wie sie vielseitig unter den
Leuten üblich seien, und auf welche es die Dämonen
bei mir angelegt hätten, so wäre ich verloren gewesen.
Das sagte sie mit bedeutungsvoll aufgehobenem
Finger und mit den Worten schließend: „Das war ein
fürchterlicher Kampf, den Sie unternommen haben!“
Dann flehte sie dringend, ich möchte für sie beten,
dass sie vollends ganz aus des Teufels Gewalt befreit
werde, in die sie fast unwissend durch getriebene Abgötterei,
Sympathie und Zauberei gefallen sei, und
dass sie irgendwo einen Ruheort erhalte. Ich hatte das
Weib im Leben gut gekannt, und sie zeigte damals
eine Begierde zum Worte Gottes und nach Trost,
wie ich sonst nicht leicht wahrgenommen hatte, wie
denn auch kaum eine Woche verging, da sie nicht
zwei- bis dreimal in mein Haus kam und mich besuchte.
Namentlich hatte sie von mir das Lied: „Ruhe
ist das beste Gut“ sehnlich begehrt. Nun wollte mir
doch das Herz um sie brechen; und mit innerlichem
Aufblick zu dem Herrn fragte ich sie: „Wo willst Du
denn hin?“` – „Ich möchte in Ihrem Hause bleiben“,
antwortete sie. – Ich erschrak und sagte: „Das kann
unmöglich sein.“ – „Darf ich nicht in die Kirche gehen?“
fuhr sie fort. Ich besann mich und sagte: „Wenn
Du mir‘s versprichst, dass Du niemanden stören und
nie Dich sichtbar machen willst, unter der Voraussetzung,
dass es Jesus Dir erlaubt, habe ich nichts dagegen.“
Es war ein Wagnis von mir, doch vertraute
ich dem Herrn, er werde alles recht machen, da ich
mich vor ihm keiner Vermessenheit schuldig fühlte.
Sie gab sich zufrieden, nannte noch den äußersten
Winkel, dahin sie sich begeben wolle, und fuhr sodann
freiwillig und leicht aus nach dem Anschein.

Von alledem wurde der Kranken nichts gesagt; und
doch sah sie das Weib zu ihrem großen Schrecken an
der bezeichneten Stelle in der Kirche. Außer ihr aber
gewahrte niemand etwas davon, und in der Folge
hörte die Erscheinung ganz auf, wie überhaupt durch
die nachfolgenden Kämpfe sich alles immer wieder
veränderte. Auf gleiche Weise suchten auch andere
Geister, die durch Abgötterei und Zauberei noch Gebundene
des Teufels zu sein vorgaben, während sie
sonst Liebe zum Heiland hätten, Befreiung und Sicherheit.
Nur mit äußerster Behutsamkeit und angelegentlichen
Bitten zu dem Herrn ließ ich mich in
das Unabweisbare ein. Mein Hauptwort war immer:
„Wenn Jesus es erlaubt!“ Es zeigte sich auch, dass
eine göttliche Leitung darunter waltete. Denn nicht
alle erlangten, was sie baten, und manche mussten,
auf die freie Barmherzigkeit Gottes sich verlassend,
fortgehen. Ich möchte diesen subtilen Punkt nicht
weiter ausführen und bemerke nur, dass keinerlei Unruhe
vorgekommen ist, während die Kranke stets
wieder erleichtert wurde. Solche Geister, denen ein
vorübergehender Ruheort gegeben wird, dürfen auch
mit den eigentlichen Spukgeistern nicht verwechselt
werden. Die letzten erscheinen immer als unter dem
Gerichte und unter der Gewalt des Satans, von welcher
jene befreit waren. Manche Bemerkungen, die
ich nach den gemachten Erfahrungen mitteilen könnte,
halte ich um so lieber zurück, da sie nur Anstoß
erregen könnten, während sie sonst, als nicht in der
Bibel begründet, keine weitere Aufmerksamkeit verdienen.
Nur einen sehr interessanten Fall kann ich
nicht übergehen. Einer der Geister bat gleichfalls
darum, in die Kirche gelassen zu werden. Ich sagte
mein gewöhnliches „Wenn es Jesus erlaubt!“ – Nach
einer Weile brach er in ein verzweifeltes Weinen aus
und rief oder hörte rufen: „Gott ist ein Richter der
Witwen und Waisen!“ mit dem Bemerken, es werde
ihm nicht gestattet, in die Kirche zu gehen. Ich sagte:
„Du siehst, dass der Herr es ist, der Dir den Weg
zeigt, und dass es also nicht auf mich ankommt. Geh
hin, wo der Herr Dich hingehen heißt!“ – Dann fuhr
er fort: „Dürfte ich nicht in Ihr Haus gehen?“ Diese
Bitte überraschte mich; und an Frau und Kinder denkend,
wollte ich nicht geneigt sein, zu willfahren. Allein
ich bedachte mich, ob es nicht eine Versuchung
für mich sein soll, zu zeigen, dass ich mir alle Aufopferung
gefallen lassen könne, und sagte daher endlich:
„Nun denn, wenn Du niemand beunruhigst, und
Jesus es Dir erlaubt, so mag es geschehen.“ – Plötzlich
hörte ich wieder etwas, wie von höherer Stimme,
aus dem Munde der Kranken, das rief: „Nicht
unter Dach! Gott ist ein Richter der Witwen und Waisen!“
Der Geist fing wieder nach dem Ansehen an zu
weinen und bat, wenigstens in meinen Garten gehen
zu dürfen, was ihm jetzt gestattet zu werden schien.
Es war, als ob einst durch seine Schuld Waisen um
ihr Obdach gekommen wären. – So dauerte es längere
Zeit fort; und wem ein Ruheort gegeben war,
der kehrte nicht wieder. Viele gaben sich zu erkennen,
indem sie förmlich ihren Namen sagten, was namentlich
die taten, die seit meiner Amtsführung hier
gestorben waren. Andere nannten den Ort, wo sie her
wären, oft Hunderte von Stunden entfernt. Selbst aus
Amerika wollen etliche gekommen sein. Ich ließ es
dahingestellt sein, wie weit ich alles für Wahrheit zu
nehmen hätte, und war froh, ihrer nur los zu werden.
Ich bemerke nur noch, dass durch obiges keineswegs
die Lehre von einem Fegfeuer oder die Lehre
von einem Gebet für die Verstorbenen bestätigt wurde.
Letzteres ist so gefährlich, dass ich jedermann allen
Ernstes davor verwarnen möchte, weil die nachteiligsten
Einwirkungen vonseiten der unsichtbaren
Welt die Folge davon sein können. -

Noch muss ich hier etwas Zusammenfassendes mitteilen,
das zwar auffallen wird, aber keineswegs von
mir verschwiegen werden kann. Durch obiges wie
durch andere spätere Erscheinungen wurde mir erkennbar,
dass unsere Zeit an einem Übel leidet, das
allmählich, ohne dass jemand mit Ernst darauf geachtet
hätte, wie ein heimlich nagender Wurm fast die
ganze, auch evangelische, Christenheit durchfressen
hat, nämlich, dass ich so sage, die Sünde der Abgötterei,
die stufenweise in die Zauberei und vollkommene
Schwarzkunst übergeht, von deren schauerlicher
Existenz mir nur allzu gewisse Kunde geworden
ist. Unter Abgötterei mag jedes Vertrauen auf eine
übernatürliche unsichtbare Kraft verstanden sein,
auf welche gestützt ein Mensch entweder Gesundheit
oder Ehre oder Gewinn oder Genuss sich zu verschaffen
bemüht ist, sofern sie nicht eine rein göttliche
ist. Aber auch jeder abergläubische Gebrauch
von scheinbar frommen Worten, besonders wenn die
höchsten Namen dazu gebraucht werden, ist Abgötterei,
weil der lebendige Glaube an Gott, sowie die Hoheit
und Majestät Gottes, dadurch in eine Karikatur
verwandelt wird. Hierher gehört alle und jede Art von
Sympathie, deren Wirksamkeit neuestens von Hohen
und Niederen immer entschiedener anerkannt, und
die daher fast von jedermann, wenigstens in ihren
scheinbar unschuldigeren Sphären, unbedingt angewendet
wird, ohne dass man überlegt, welchen Abfall
von Gott solche gedankenlose Herabwürdigung
des Namens und der Kraft Gottes voraussetzt, und
welches eigentlich in solchen Fällen die unsichtbar
wirkende Kraft ist und allein nur sein kann. Sowohl
hierdurch als durch manches andere, das ich übergehe,
hängt sich der Mensch mindestens an eine unmittelbare
Naturkraft und kehrt seinen Glauben ans
Unsichtbare von Gott ab an eine Art Naturgeist, wodurch
er in den Augen des eifrigen Gottes, der Seine
Ehre keinem andern lässt, wie das Alte Testament redet,
nur ein Abgötter wird. Soll eine unmittelbare unsichtbare
Kraft helfen, warum will der Mensch nicht
durch Gebet an den, der die Kraft selbst ist, sich halten?
Noch weniger ist aus dem Gebiet der Abgötterei
die sogenannte Transplantation auszuschließen,
bei welcher man einen Schmerz oder eine Krankheit
durch allerlei Manipulationen mit und ohne Formeln
auf Bäume oder Tiere zu übertragen sich bemüht.
In die fürchterlichen Folgen aller dieser Abgöttereien
lernte ich allmählich einen Blick hineintun. Die
nächste Wirkung ist die, dass der Mensch mehr oder
weniger an eine finstere satanische Macht gebunden
wird, indem irgendein Dämon, durch den Akt der
Abgötterei herbeigelockt, Einfluss auf ihn gewinnt.
Dieser Einfluss kann physisch sein und namentlich
allerlei Nervenleiden, Krämpfe, Gichten und andere
Gebrechen zur Folge haben, bei welchen auch die
Ärzte wenig Rat wissen, aber auch psychisch, und
Melancholie und Schwermut wecken, oder grobe Leidenschaften
nähren, wie Wollust, Trunkenheit, Geiz,
Neid, Zorn, Rachsucht und dergl., Leidenschaften,
die dem Menschen oft zur Last werden, ohne dass er
über sie Herr zu werden vermöchte. Was Paulus im
Römerbrief von den Folgen der Abgötterei schreibt
als einer Verwandlung der Herrlichkeit des unvergänglichen
Gottes in allerlei Torheiten, geht auch
bei unserer christlichen Abgötterei buchstäblich in
Erfüllung, wenn Christen ihr Vertrauen auf sinnlose
Sprüchlein, auf geheime Formeln und Zeichen, auf
gewisse Tage und Stunden und auf Zettelchen setzen,
die sie um sich hängen, wie die Neger ihre Grigri‘s,
oder gar verschlingen, neben andern eigentlichen
Greueln, welche hier auseinanderzusetzen zu weit
führen würde. Eine weitere Folge ist die Unempfindlichkeit
gegen das Wort der Wahrheit, Gleichgültigkeit
gegen die Sünde, Stumpfheit des Geistes für höhere
Empfindungen und Gedanken, und Sicherheit
in Beziehung auf die Ewigkeit; und umgekehrt, dass
in der Trübsal kein Trost im Herzen haften will, namentlich
die evangelische Freude bei Anklagen des
Gewissens nicht festwurzeln kann. Die traurigste
Folge für den Menschen, wenn er obige Abgötterei
nicht erkannt und bereut hat, kommt nach dem Tode;
und das ist es zunächst, was ich mit Schaudern auf
allerlei Weise in meinen Kämpfen bis zur Gewissheit
erfahren habe. Das Band, mit dem er an die finstere
Macht sich gebunden hat, ist noch nicht gelöst, und
der Mensch, der eben glaubte, reif für die Freuden
des Himmels zu sein, wird als ein Abgefallener vom
Feind festgehalten, und je nachdem er sich verstrickt
hat, auch wider seinen Willen zur Qual der Lebenden
dem Teufel zu dienen gezwungen. Ich enthalte mich,
noch weiter darüber zu reden, da es schwierig und
gewagt ist, über solche geheimnisvolle Dinge sich
mit einiger Bestimmtheit auszusprechen.

Unter mancherlei Erfahrungen rückte der 8. Februar
1843 heran. Da lag die G. fast den ganzen Tag bewusstlos
auf dem Bette, jedoch ohne dass es Besorgnis
erregen konnte. Es schien ihr eine Ruhe gegönnt zu
sein, die aber mehr als eine Entrückung ihres Geistes
in fernere Gegenden anzusehen war. Ich berichte,
wie sie nachher erzählte. Es war ihr, als würde sie
von jemand mit außerordentlicher Schnelligkeit über
Land und Meer, über der Oberfläche schwebend, hingeführt.
Sie durchflog viele Länder und Städte, kam
über dem Meere an Schiffen vorbei, deren Mannschaft
sie deutlich sah und vernehmlich reden hörte,
bis sie zu einer Inselwelt kam und von Insel zu Insel
hinschwebte, endlich zu einem hohen Berge gelangend,
auf dessen Gipfel sie gestellt wurde. Manche
Einzelheiten ließen mich auf Westindien raten.
Auf dem Gipfel war eine große und weite Öffnung,
aus welcher Rauch emporquoll und Feuer aufschlug.
Rings um sie her zuckten Blitze, rollten Donner, bebte
die Erde, und an den Ufergegenden zu den Füßen
des Berges sah sie mit einem Schlage Städte und Dörfer
einstürzen und den Staub hoch emporqualmen.
Auch auf dem Meere gerieten Schiffe und Fahrzeuge
in Unordnung, und ihrer viele sanken ins Meer.
Mitten unter dieser Schreckensszene wurden die Dämonen,
die sie bisher vornehmlich gequält hatten,
vorgeführt; und der ärgste derselben, jener Dämon
mit dem großen Buche, war der erste, der mit fürchterlichem
Gebrüll und Heulen in die Tiefe gestürzt
wurde. Ihm folgten gegen tausend andere nach, die
alle vorher auf G. zusprangen, als wollten sie dieselbe
mit sich in den Abgrund ziehen. Als alles vorüber
war, wurde G. auf dieselbe Weise zurückgebracht,
wie sie hergekommen war, und erwachte, ziemlich
geschreckt, doch im ganzen wohl. – Was sie hier erzählte,
kann ich freilich nicht verbürgen; aber über
die Maßen erstaunt und überrascht war ich, als kurze
Zeit darauf in den Zeitungen das fürchterliche Erdbeben
geschildert wurde, welches eben am 8. Februar in
Westindien vorfiel. Die Schilderungen der Brüdergemeine,
insbesondere, die ich in einer Missionsstunde
vorlas, versetzten G. ganz wieder in das zurück, was
sie selbst im Geiste gesehen hatte. Von jener Zeit an
sah sie mich auch in der Kirche nicht mehr von Geistern
umschwärmt. Solche Entrückungen kamen in
der Folge noch zweimal vor, doch so, dass sie über
Asien hinzuschweben schien. Ein andermal wurde
ihr die Errettung von mehr als 800 vorher gebundenen
Dämonen vorgestellt. Wie auf diese Weise die
Erdbeben jener Zeit Bezug auf die hiesigen Kämpfe
zu haben schienen, so auch Witterungen und anderes,
was ich gleichfalls nicht verschweigen kann. Sowohl
die Dürre des Jahres 1842, als die Nässe des Jahres
1843 kam zur Sprache. Am meisten aber entsetzte
es mich, dass gar die vielen Städtebrände des Jahres
1842 (die Zahl wurde von den Dämonen auf 36 angegeben)
dem Einfluss, ja der unmittelbaren Einwirkung
der Dämonen zugeschrieben wurden. Namentlich
kam einmal ein Dämon vor, der mit wollüstiger
Gier die Flamme Hamburgs geschürt zu haben vorgab.
Auf die Frage, was ihn dazu veranlasst hätte, kam
einerseits die kurze Antwort: „Wollust!“, andererseits
wurde angedeutet, dass der Satan, merkend, dass
viele Werkzeuge der Zauberei ihm geraubt werden,
darauf ausgegangen sei, um Werkzeuge zu werben,
indem er Tausende ins Unglück stürzte, die sodann
leicht dazu zu bewegen wären, sich ihm womöglich
mit Blut zu verschreiben; „und“, hieß es einmal, „es
ist ihm auch gelungen“. Schrecklich waren oft die
Drohungen der Dämonen anzuhören, den ganzen Ort
und vornehmlich mein Haus in Brand zu stecken. Öfters
grinsten sie mir mit grässlicher Miene entgegen:
„Blut oder Feuer!“ Wirklich war es auffallend, dass
einmal in einer besonders schweren Kampfnacht die
Schafherde durch einen unbekannten Hund, dessen
der Schäfer nicht mächtig werden konnte, in große
Angst und Verwirrung gebracht wurde, und am Morgen
lagen zwei der größten Schafe zerrissen vor meinem
Fenster. Ich berühre dies darum, weil es einmal
hieß: „Blut! Und wenn‘s nur ein Schaf ist.“
So viel auch schon im bisherigen Unbegreifliches
und Unerhörtes erzählt worden ist, so habe ich doch
das Ärgste noch vor mir. Ich bleibe bei meiner Ehrlichkeit
und fahre fort mitzuteilen, was mir noch in
Erinnerung ist, überzeugt, der Herr werde auch bei
dieser Darstellung Seine Hand über mir haben. Ihm,
dem Sieger über alle finsteren Kräfte zur Ehre alles
zu erzählen, ist auch meine einzige Rücksicht.
Mit dem 8. Februar 1843 begann eine neue Epoche in
der Krankheitsgeschichte. Denn von jetzt an kamen
noch entschiedenere Erscheinungen und Wirkungen
der verschiedenartigsten Zauberei zu meiner Beobachtung.
Schauerlich war es mir, wahrzunehmen,
dass alles, was bisher unter den lächerlichsten Volksaberglauben
gerechnet wurde, aus der Märchenwelt
in die Wirklichkeit übertritt. Ich fasse zunächst alle
Erscheinungen zusammen, die im Laufe des Jahres
1843 aus dem Gebiete der Zauberei vorgekommen
sind. Es zeigte sich, dass unzählig viele Dinge in die
G., um das allein anwendbare Wort gleich zu gebrauchen,
hineingezaubert waren, die alle den Zweck zu
haben schienen, sie aus der Welt zu schaffen. Es fing
mit Erbrechen von Sand und kleinen Glasstücken
an. Allmählich kamen allerlei Eisenstücke, namentlich
alte und verbogene Bretternägel, deren einmal
vor meinen Augen nach langem Würgen nacheinander
zwölf in das vorgehaltene Waschbecken fielen,
ferner Schuhschnallen von verschiedener Größe und
Gestalt, oft so groß, dass man es kaum begriff, wie sie
den Hals heraufkommen konnten, auch ein besonders
großes und breites Eisenstück, bei welchem ihr der
Atem ausging, dass sie mehrere Minuten wie tot dalag.
Außerdem kamen in unzähligen Mengen Stecknadeln,
Nähnadeln und Stücke von Stricknadeln, oft
einzeln, da es am schwersten ging, oft auch in Massen,
mit Papier und Federn zusammengebunden. Es
hatte öfters das Ansehen, als ob Stricknadeln mitten
durch den Kopf gezogen wären, von einem Ohr bis
zum andern; und es kamen das eine Mal einzelne fingerlange
Stücke zum Ohr heraus; ein andermal konnte
ich es unter der Handauflegung fühlen und hören,
wie die Nadeln im Kopf zerbrachen oder sich drehten
und zusammenbogen. Jenes waren stählerne Nadeln,
die sodann langsam in kleineren Stücken sich
gegen den Schlund hinspielten und zum Munde herauskamen;
dieses eiserne, die sich biegen ließen und
endlich, drei- bis viermal gebogen, doch ganz, ihren
Ausweg gleichfalls durch den Mund fanden. Auch
aus der Nase zog ich viele Stecknadeln hervor, die
sich von oben herab, da ich sie über dem Nasenbein
zuerst querliegend fühlte, allmählich, mit der Spitze
abwärts gerichtet, herabspielten.



Christoph Blumhardt

Fortsetzung:
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