Sieg über die Hölle
- Christoph Blumhardt -





Sieg über die Hölle



Nachfolgend finden Sie die vollständige Online-Fassung des Buches "Sieg über die Hölle" von Christoph Blumhardt, Untertitel: "Die Krankheits- und Heilungsgeschichte der Gottliebin Dittus in Möttlingen."
Das Vorwort stammt von Katja Wolff. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des WFB-Verlages (www.wfb-verlag.de). Die gedruckte Fassung
(ISBN 978-3-930730-33-9) können Sie hier direkt beim Verlag bestellen: Bestellen


Sieg über die Hölle



Oben erwähnte Untersuchung fand am 3. Juni 1842
statt. Bald hörte ich, dass das Gepolter um die G.
auch in dem andern Hause, das sie bewohnte, fortdaure,
und dass sie gewöhnlich, so oft man etwas hörte,
bald darauf in heftige Konvulsionen verfalle, die
immer stärker und andauernder würden, so dass sie
öfters kaum 5 Minuten dazwischen hinein frei wäre.
Ich besuchte sie als Seelsorger, wobei sie erklärte,
es schwebe etwas vor ihren Augen her, das sie starr
mache; und wenn ich mit ihr betete, wurde sie bewusstlos
und sank aufs Bett zurück. Einmal sah ich
sie in den Krämpfen, da eben der Arzt anwesend
war. Ihr ganzer Leib zitterte, und jeder Muskel am
Kopfe und an den Armen war in glühender Bewegung,
wiewohl sonst starr und steif. Dabei floss häufig
Schaum aus dem Mund. So lag sie schon mehrere
Stunden da, und der Arzt, der nichts Ähnliches je
erfahren hatte, schien ratlos zu sein. Doch erwachte
sie plötzlich, konnte sich aufrichten, Wasser trinken;
und kaum mochte man es glauben, dass sie die
nämliche Person wäre. So ging es noch einige Tage
fort. An einem Sonntagabend kam ich wieder zu ihr,
als mehrere Freundinnen anwesend waren, und sah
schweigend den schrecklichen Konvulsionen zu. Ich
setzte mich etwas entfernt nieder. Sie verdrehte die
Arme, beugte den Kopf seitwärts und krümmte den
Leib hoch empor, und Schaum floss abermals aus
dem Munde. Mir war es klar geworden, dass etwas
Dämonisches hier im Spiele sei, nach den bisherigen
Vorgängen; und ich empfand es schmerzlich, dass
in einer so schauderhaften Sache so gar kein Mittel
und Rat solle zu finden sein. Unter diesen Gedanken
erfasste mich eine Art Ingrimm; ich sprang vor,
ergriff ihre starren Hände, zog ihre Finger gewaltsam
wie zum Beten, zusammen, rief ihr in ihrem bewusstlosen
Zustande ihren Namen laut ins Ohr und
sagte: „Lege die Hände zusammen und bete: ‚Herr
Jesu, hilf mir!‘ Wir haben lange genug gesehen, was
der Teufel tut; nun wollen wir auch sehen, was Jesus
vermag.“ Nach wenigen Augenblicken erwachte sie,
sprach die betenden Worte nach, und alle Krämpfe
hörten auf, zu großem Erstaunen der Anwesenden.
Dies war der entscheidende Zeitpunkt, der mich mit
unwiderstehlicher Gewalt in die Tätigkeit für die
Sache hineinwarf. Ich hatte vorher auch nicht den geringsten
Gedanken daran gehabt; und auch jetzt leitete
mich ein unmittelbarer Drang, von dem ich den
Eindruck noch so stark habe, dass eben er später oft
meine einzige Beruhigung war, weil er mich überzeugte,
dass ich nicht aus eigener Wahl und Vermessenheit
eine Sache unternommen hätte, deren schauerliche
Entwicklung ich mir damals unmöglich hätte
vergegenwärtigen können.

Nachdem sie wieder bei sich war, sprach ich ihr Mut
zu, betete noch etliche Worte und hinterließ beim
Weggehen, dass man mich rufen solle, wenn die
Krämpfe wiederkehrten. Nachts 10 Uhr desselben
Tags kam eiligst ein Bote und sagte, sie habe einen
ruhigen Abend gehabt, bis eben jetzt, da die Krämpfe
stärker als je sie befallen hätten. Als ich zu ihr kam,
schien die Wärterin in Ohnmacht fallen zu wollen,
da der Anblick über die Maßen schauerlich war. Ich
versuchte alsbald obiges Verfahren, und der Erfolg
war in wenigen Augenblicken derselbe. Während ich
indessen verzog, fiel sie plötzlich wieder rückwärts
aufs Bett. Sogleich ließ ich sie die Worte ausrufen:
„Herr Jesu, hilf mir“ obwohl sie dieselben kaum herausbrachte;
und so kam sie wieder zu sich, ohne dass
die Krämpfe ausbrachen. Allein mit jedem Augenblicke
wollte sich‘s wiederholen; und so dauerte es
gegen 3 Stunden fort, bis sie ausrief: „Jetzt ist mir‘s
ganz wohl!“ Sie hatte nun die übrige Nacht und den
ganzen folgenden Tag Ruhe, bis wieder gegen 9 Uhr
abends die Anfälle sich wiederholten. Ich verweilte
abermals, diesmal, wie später fast immer, mit dem
Schultheißen und Mose Stanger etliche Stunden bei
ihr, wobei bereits sich zu erkennen gab, dass sich etwas
Feindseliges aus ihr gegen mich richtete. Sie bekam
grell geöffnete Augen, eine grässliche Miene, die
nichts als Zorn und Wut aussprach, ballte die Hände
und machte gegen mich drohende Bewegungen. Sie
hielt dann wieder die offenen Hände mir dicht vor
die Augen, als wollte sie mir rasch beide Augen ausreißen
usf. Ich blieb bei alle dem fest und unbeweglich,
betete in kurzen Worten meist nach biblischen
Stellen und achtete keine Drohungen, die auch so erfolglos
waren, dass sie niemals, auch wenn sie noch
so drohend auf mich zufuhr, mich auch nur berührte.
Am Ende ging alles damit vorüber, dass sie zu wiederholten
Malen mit großer Gewalt die Arme auf das
Bett niederschlug, wobei es das Ansehen hatte, als
ob eine geistige Macht durch die Fingerspitzen ausströmte.
Sie wollte noch nachher allerlei Gestalten
vor sich sehen, die sich erst nach und nach verloren.
So ging es noch etliche Male zu, mit Unterbrechungen
von einem bis drei Tagen; und am Ende ließ diese
Art von Konvulsionen ganz nach.
Schon wollte ich gute Hoffnungen fassen, als ich vernahm,
man höre wieder ein Klöpfeln wie mit Fingern
um die G. her; und dann bekomme sie plötzlich einen
Schlag auf die Brust und sinke zurück, auch sehe
sie dieselbe weibliche Gestalt, die sie in ihrem eigenen
Logis gesehen hatte. Ihren Aussagen nach war
das eine (keinerlei Verwandte, außer zwei, nun auch
verstorbenen Schwestern, zurücklassend) zwei Jahre
vorher verstorbene Witwe, die auf ihrem Totenbette
heftige Gewissensbisse bekommen, schwere Sünden
mir bekannt und nur wenig Ruhe vor dem Tode gefunden
hatte. Als ich mit meinen gewöhnlichen Begleitern
(denn ohne bestimmte Augen- und Ohrenzeugen
wollte ich niemals dort sein) hinkam, hörte
ich wirklich bald die unheimlichen Töne. Sie selbst
lag im Bett, war bei sich und fühlte keine Beschwerden.
Plötzlich war‘s, als führe es in sie, und ihr ganzer
Leib geriet in Bewegung. Ich sprach sodann einige
Worte als Gebet und erwähnte dabei des Namens
Jesu. Sogleich rollte sie die Augen, schlug die Hände
auseinander, und eine Stimme ließ sich hören, die
man augenblicklich für eine fremde erkennen musste,
nicht sowohl wegen des Klanges, als wegen des
Ausdrucks und der Haltung der Rede: Es rief: „Den
Namen kann ich nicht hören!“ Alle schauderten zusammen.
Ich hatte noch nie etwas der Art gehört und
wandte mich in der Stille zu Gott, er möge mir Weisheit
und Vorsicht schenken und namentlich vor unzeitiger
Neugier mich bewahren. Endlich wagte ich etliche
Fragen, mit dem bestimmten Vorsatz, mich nur
auf das Notwendigste zu beschränken, und auf meine
Empfindung zu merken, wenn es etwa zuviel wäre,
zunächst mit Bezug auf jenes Weib, etwa so: „Hast
du denn keine Ruhe im Grab?“ – „Nein.“ – „Warum
nicht?“ – „Das ist meiner Taten Lohn.“ – „Hast du
denn“, fuhr ich fort, nur still voraussetzend, dass es
jene Person sei, „mir nicht alle Sünden gestanden?“ –
„Nein, ich habe zwei Kinder gemordet und im Acker
begraben.“ – „Weißt du denn jetzt keine Hilfe mehr?
Kannst du nicht beten?“ – „Beten kann ich nicht.“ –
„Kennst du denn Jesum nicht, der Sünden vergibt?“
– „Den Namen kann ich nicht hören.“ – „Bist du allein?“
– „Nein!“ – „Wer ist denn bei dir?“ Die Stimme
antwortete zögernd, zuletzt rasch herausfahrend:
„Der Allerärgste.“ So ging das Gespräch noch eine
Weile fort, und die Redende klagte sich auch der Zauberei
an, um deren willen sie des Teufels Gebundene
sei. Schon siebenmal, sagte sie, sei sie ausgefahren,
jetzt gehe sie nicht mehr. Ich fragte sie, ob ich für
sie beten dürfe, was sie erst nach einigem Bedenken
gestattete, und gab ihr endlich zu verstehen, dass sie
im Leibe der G. nicht bleiben könne und dürfe. Sie
schien wehmütig zu flehen, dann wieder trotzig zu
werden; ich aber gebot ihr mit ernster Stimme, auszufahren,
jedoch nicht im Namen Jesu, was ich lange
nicht wagte, worauf sich schnell die Szene änderte,
indem G. die Hände stark aufs Bett niederschlug,
womit die Besitzung vorüber zu sein schien.
Etliche Tage später wiederholte sich die scheinbare
Besitzung, wiewohl ich mich jetzt in kein Gespräch
mehr einließ. Bald war es, als führen auf die bezeichnete
Weise 3, dann 7, endlich 14 Dämonen aus, wobei
jedesmal das Gesicht der Person sich veränderte
und eine neue drohende Miene gegen mich annahm.
Auch mancherlei Drohworte wurden gegen mich
ausgesprochen, die ich nicht beachtete; und die Anwesenden,
selbst der Schultheiß, bekamen manche
Stöße und Faustschläge, die aber nie gegen mich gewagt
wurden, indem die Dämonen ausdrücklich bemerkten,
dass sie mir als dem Pfarrer nichts tun dürften,
so gerne sie wollten. Hie und da raufte sie sich
die Haare, zerschlug sich die Brust, warf den Kopf
an die Wand und suchte auf allerlei Weise sich zu
verletzen. Jedoch mit einfachen Worten konnte ich
jeder Bewegung gebieten, bis sie zuletzt ruhig blieb,
worauf auch dem Befehl des Ausfahrens Folge geleistet
wurde.

Indessen war es, als ob die Szenen sich immer
schrecklicher machten, und als ob mein Einwirken
die Sache nur verschlimmerte. Was ich im Geist und
Gemüt damals ausgestanden habe, lässt sich mit keinen
Worten beschreiben. Mein Drang, der Sache ein
Ende zu machen, wurde immer größer, und obwohl
ich jedesmal befriedigt scheiden konnte, sofern ich
fühlte, dass die dämonische Macht sich fügen müsse,
und sofern die Person jedesmal vollkommen recht
war, so schien die finstere Macht sich doch immer
wieder zu verstärken und mich zuletzt in ein großes
Labyrinth verstricken zu wollen, mir und meiner
amtlichen Wirksamkeit zum Schaden und Verderben.
Alle Freunde rieten mir, zurückzutreten. Aber ich
musste mit Schrecken daran denken, was aus der Person
werden könnte, wenn ich meine Hand von ihr abzöge,
und wie sehr ich vor jedermann, wenn es übel
ginge, als der Ursächer dastehen müsste. Ich fühlte
mich in einem Netze, aus dem ich mich ohne Gefahr
für mich und andere unmöglich durch bloßes Abtreten
herauswinden konnte. Zudem schämte ich mich
vor mir selbst und meinem Heilande, zu dem ich so
viel betete, und dem ich so viel vertraute, und der
mir drunter hinein so viel Beweise seiner Hilfe gab
– ich gestehe es offen –, dem Teufel nachzugeben.
Wer ist der Herr? musste ich mich oft fragen, und mit
Vertrauen auf den, der Herr ist, hieß es in mir immer
wieder: Vorwärts! Es muss zu einem guten Ziele führen,
wenn es auch in die tiefste Tiefe hinuntergeht,
es sei denn, dass es nicht wahr wäre, dass Jesus der
Schlange den Kopf zertreten habe.
Nach jenen 14 Dämonen steigerte sich die Zahl schnell
zu 175, dann zu 425. Eine nähere Beschreibung von
den einzelnen Auftritten kann ich nicht mehr geben,
da alles zu schnell und zu mannigfaltig aufeinander
folgte, als dass ich Einzelheiten sicher im Gedächtnis
behalten konnte. Nach dem letzten dieser Kämpfe
trat auf etliche Tage Ruhe ein. Doch drängten sich
des Nachts viele Gestalten um das Bett der Person,
nach ihrer Aussage; und auch ihre Wärterin wollte
um jene Zeit etliche Gestalten erblickt haben. Auch
geschah es, dass sie sich in einer Nacht im Schlafe
plötzlich von einer brennenden Hand am Hals gefasst
fühlte, welche alsbald große Brandwunden zurückließ.
Bis die Wärterin (ihre Tante), die im gleichen
Zimmer schlief, das Licht anzündete, waren bereits
gefüllte Blasen um den ganzen Hals her aufgefahren;
und der Arzt, der am folgenden Morgen kam, konnte
sich nicht genug darüber verwundern. Der Hals
wurde erst nach mehreren Wochen wieder heil. Auch
sonst bekam sie bei Tag und bei Nacht Stöße an die
Seite oder auf den Kopf, oder fasste es sie an den Füßen,
dass sie plötzlich, entweder auf der Straße, oder
auf der Treppe, oder wo es war, niederstürzte, wovon
sie Beulen und andere Schäden davontrug. Die
schwerste Nacht hatte ich vor dem 25. Juli 1842. Ich
kämpfte von abends 8 Uhr bis morgens 4 Uhr, ohne
befriedigt fertig zu sein, wie sonst noch nie. Ich musste
sie verlassen, weil ich eine Fahrt zum Kinderfest
nach Korntal bestellt hatte. Als ich spät abends wieder
zurückkam, hieß es, sie sei in völligem Delirium
und nun als fast ganz wahnsinnig zu betrachten. Wer
sie sah, jammerte; sie zerschlug sich die Brust, raufte
sich die Haare aus, krümmte sich wie ein Wurm
und schien eine völlig verlorene Person zu sein. Ich
besuchte sie erst am folgenden Tag, morgens 8 Uhr,
nachdem ich in der Reihe meiner täglichen Bibellektionen
die merkwürdigen Worte im Buch Jesus Sirach
(Kap. 2) nicht ohne Tränen und mit fast gebrochenem
Herzen gelesen hatte: „Mein Kind, willst du
Gottes Diener sein, so schicke dich zur Anfechtung.
Halte fest und leide dich und wanke nicht, wenn
man dich davon locket. Halte dich an Gott und weiche
nicht, auf dass du immer stärker werdest. Alles,
was dir widerfährt, das leide, und sei geduldig in aller
Trübsal. Denn gleich wie das Gold durchs Feuer,
also werden die, so Gott gefallen, durchs Feuer der
Trübsal bewähret. Vertraue Gott, so wird er dir aushelfen;
richte deine Wege, und hoffe auf Ihn. Die, so
ihr den Herrn fürchtet, hoffet das Beste von Ihm, so
wird euch Gnade und Trost allezeit widerfahren. Die,
so ihr den Herrn fürchtet, harret seiner Gnade, und
weichet nicht, auf dass ihr nicht zu Grunde gehet.“
Mit diesen Worten gestärkt, kam ich zur Leidenden.
Bis gegen 11 Uhr schien wieder alles gut zu stehen.
Allein des Nachmittags musste ich wiederkehren; und
jetzt ging es fort bis abends 7 Uhr, jedoch so, dass auf
einmal das Ausfahren der Dämonen durch den Mund
anfing. Eine Viertelstunde lag sie wie tot da. Ich hatte
alle Glaubenskraft zusammenzuraffen, bis sie wieder
atmete, während ich von der Straße herauf die Leute
einander zurufen hörte: „Jetzt ist sie gestorben!“
Nach manchen heftigen Zuckungen des Oberleibs
öffnete sie jetzt weit den Mund, und es war, als spucke
sie einen Dämon um den andern heraus. Es ging
immer partienweise, je 14 oder je 28, oder je 12, und
so schien es bis in die Tausende zu gehen, ohne ein
Wort von meiner Seite, auch ohne dass ein Wort von
den Dämonen gesprochen worden wäre, außer dass
diese, wenn wieder eine neue Partei kam, zornige
Blicke umherwarfen. Endlich hörte es auf; und jetzt
schien eine bedeutende Epoche gekommen zu sein.
Mehrere Wochen kam so gut wie nichts vor; und G.
konnte wandeln, wo sie hin wollte. Ich freute mich in
dieser Zeit. Aber nie geahnt hätte ich, was nun weiter
erfolgte.

Nach einer Ruhezeit kam die Kranke blass und entstellt
zu mir, mir etwas zu klagen, was sie bisher aus
Schüchternheit vor mir zurückgehalten habe, nun
aber nicht länger verschweigen könne. Sie zögerte
noch eine Weile, und ich wurde ängstlich gespannt,
bis sie endlich anfing zu erzählen, dass sie schon vor
2 Jahren jeden Mittwoch und Freitag von geisterähnlichen
Gestalten bis zu schmerzlichen und starken
Blutungen gequält worden sei. Gewöhnlich hätte die
Plage 3 Stunden lang fortgedauert, und sie habe unerhörte
Schmerzen dabei ausgestanden. Dem Arzt habe
sie von den Blutungen gesagt; und der habe allerlei
ärztliche Mittel angewendet, ohne etwas zur Heilung
zustande bringen zu können. Diese Plage habe mit
dem Tage aufgehört, da ich zum ersten Male mich
ernstlich ihrer angenommen hätte; aber seit den letzten
Kampftagen (25. und 26. Juli 1842) habe sie wieder
angefangen. An den genannten Tagen müsse sie
sich immer mit Schrecken zu Bett legen, und wenn
die Plage an sie komme, könne sie nur noch ächzen,
außerstande, sich auch nur im geringsten zu bewegen.
Wenn diese Plage nicht aufhöre, so müsse es ihr
Tod sein. Es war auch deutlich zu sehen, dass sie damals
mit jedem Tage abgezehrter wurde.
Diese Sache erschreckte mich natürlich sehr; denn
dergleichen hatte ich noch nicht gehört, als höchstens
in Vampyr-Märchen, die je und je von phantasiereichen
Dichtern auf eine schauerlich abenteuerliche
Weise erzählt worden sind. Später hörte ich freilich
auch von allerlei Sagen, die unter dem Volke im Gange
sind, wie namentlich, dass bisweilen Kinder solchen
Plagen ausgesetzt seien, die man den sog. bösen
Leuten, d. h. Hexen, zuschreibt. Vor der Hand
brauchte ich ordentlich Zeit dazu, mich zu sammeln
und zu der traurigen Überzeugung zu kommen, dass
die Finsternis so viele Macht über die Menschen solle
bekommen haben. Mein nächster Gedanke war:
„Jetzt bist du fertig, jetzt geht‘s in die Zauberei und
Hexerei hinein; und was willst du gegen diese machen?“
Wenn ich aber das jammernde Mädchen ansah,
so schauerte mich‘s vor der Möglichkeit der
Existenz jener Finsternis und vor der Unmöglichkeit
der Hilfe. Es fiel mir ein, dass es Leute gebe, denen
man geheimnisvolle Künste zur Abwehr von allerlei
dämonischen Übeln zuschrieb, und sympathetische
Mittel, welchen immer Hohe und Niedere huldigen.
Sollte ich etwa nach dergleichen Dingen mich umsehen?



Christoph Blumhardt

Fortsetzung:
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