Schildkröte, Tricolors und Speiseeis
- Was macht das Leben lebenswert? -





Schildkröte, Tricolors und Speiseeis




Was macht das Leben lebenswert? Was kommt mir dabei in den Sinn?
Während ich noch so darüber nachdenke, schaue ich mir die Bilder vom Ausflug in den Essener Grugapark an. Ja, dieser Tag war einer der herausragendsten für uns als Familie, hatte unsere zweit älteste Tochter Rivalee doch am Morgen ihre Urkunde für den ersten Preis beim Bundeswettbewerb Jugend musiziert überreicht bekommen. Zur Entspannung schlenderten wir nach all dem Vorspielen und den Stunden des gespannten Wartens schließlich durch dieses weitläufige und einladende Naherholungsidyll.

In Gedanken gehe ich nun noch einmal die Blumen gesäumten, fantasievoll gestalteten und mit ständig neuen Eindrücken aufwartenden Wege entlang.

Da ist die kleine Gruppe von Sumpfschildkröten, die in gesicherter Entfernung zu den Fußgängern auf einem im Wasser treibenden Holzstamm Seite an Seite mit den Entenpärchen ihr Sonnenbad nehmen und alle Fünfe mal soeben gerade sein lassen. Nicht schlecht, mal ganz ohne Störungen von außen die Zeit an sich vorbei ziehen lassen zu können, ohne Hektik und ohne das drohende Ende der wieder einmal viel zu kurzen Pause, Wochenende von Montag bis Sonntag pur!

Der weitere Weg wird von hohen Laubbäumen umsäumten, durch deren Äste kleinen Goldfunken gleich das Sonnenlicht zu uns hinunter tänzelt. Von diesen sonnigen Streicheleinheiten für die Seele begleitet, kommen wir bei den kecken, sonst doch so scheuen Wasserfröschen im Seerosenteich vorbei, die trotz lautstarker Kulisse inmitten von Krabbelkindern, Sonnenanbetern und anderen liebenswerten Störenfrieden auf einem saftig grünen Seerosenblatt die Mittagssonne auf ihren grasgrünen Kittel brutzeln lassen.

Für unseren Sohn als stolzen Besitzer zweier Regenwaldterrarien sind allerdings die kleinen Tricolors und Azureus, die lustigen Pfeilgiftfrösche im Regenwaldhaus das Ereignis des Tages. Naja, zugegeben etwas eingeengt mit Glas von allen Seiten, aber doch beinahe wie in der Natur. Und wenn man als kleiner Edelstein der Schöpfung das nicht weiß, so stört man sich wohl auch nicht daran. ''Das ist meine Welt, und darin fühle ich mich wohl'', ist eine sicherlich überschaubare, wenn auch beschränkte Sichtweise. Der Regen kommt von oben ganz vollautomatisch und das Futter aus der Drosophiladose alle paar Tage ebenso. Was will man mehr? Da trällert jeder doch gerne von früh bis spät.

Wer hat nicht schon einmal davon geträumt, ein Adler hoch oben in den Lüften zu sein? Aber mit Sicherheit nicht einer dieser Greifvögel in den Volieren nahe der von Eltern und Großeltern fern überwachten und wie so oft überfüllten Mama-halt-mal-den-Nuckel-Arena, vis-à-vis zum Imbissstand! Flügel gestutzt, Fressen schon fertig erlegt ohne den leisesten Hauch von Sturzflug und Jagdfieber. Und willst du mal eine Runde drehen, so endet dieser Ausflug gleich drei oder vier Quadratmeter weiter am nackten Metallgitter, während draußen tagaus tagein die Allerkleinsten auf dem Pampersparkur den beinahe schon unausweichlichen ´Du-hast-aber-zuerst-mit-Sand-geworfen-Wettstreit` bis zum Eingreifen der Eltern austragen!

Ein Stück Fußmarsch weiter an den munteren Springbrunnen vorbei erklingen spanische Rhythmen aus Richtung überdachtem Pavilion, in dem sich vornehmlich die Rheumadeckenliga tummelt und genüsslich die Tortenkarte studiert, voll Vorfreude auf Kaffee und süßer ´Einmal-ist-keinmal-Sünde`.
Draußen davor auf dem großen Platz versucht ein schon etwas in die Jahre gekommenes Pärchen dem müden Mikrofon durch Stimmgewalt wieder Leben einzuhauchen. Und da riech' ich es auch schon: Popcorn und Speiseeis!
Als Kind träumte ich mal allen Ernstes davon, stolzer Besitzer eines Eismobils zu sein und nicht, oh wie gemein, schon wieder fünf Pfennige zu wenig für die zweite Kugel zu haben. Die südländisch aussehenden jungen Männer hinter Eistruhe und Popcornschüssel haben alle Hände voll zu tun. Nachdenken über große Themen bleibt da wohl kaum. Überhaupt, wer sind sie, das Pärchen mit Salsaflair und die Kinder-glücklich-und-Eltern-ärmer-Macher mit brauner Haut, knallroter Kluft und klingender Münze?

Um ein paar Gramm Metall im Geldbeutel erleichtert machen wir uns auf den Weg Richtung Hundertwasserhaus. Ich als Tourist aus dem Schwarzwälder Zweistromland, unserer geliebten Heimat zwischen Donau und Neckar, weiß natürlich nicht, wer in diesem imposanten, wie aus einer anderen Welt anmutenden Gebäude wohnt. Und so erklärt mir ein Einheimischer, dass hier eigentlich tiefe Besorgnis und höchstens vage Hoffnung zu Hause seien. Eltern von Krebs kranken Kindern finden, von einer Fast Food Kette und Henry Maske gesponsert, hier für die Dauer der Therapie eine von Farben und Formen nur so sprühende und zugleich Mut machende Bleibe.

Während ich unsere drei Kern gesunden und fröhlichen Teenager vor dieser Kulisse fotografiere, muss ich kurz inne halten – und empfinde unendlich tiefe Dankbarkeit und ein unbeschreibliches Glücksgefühl!

Was macht eigentlich das Leben lebenswert? Sind es Reichtum, Gesundheit, Mobilität oder eine intakte Familie?
Und was, wenn von einem Tag auf den anderen die Zuversicht in den Eisschrank umziehen muss, weil eine Hiobsbotschaft über Finanzen, Krankheit oder so grausige Dinge wie Scheidung und Verlust eines geliebten Menschen den Seelenfrieden unter Dauerbeschuss genommen haben?

Ja, sicherlich, es gibt so viel schönes, was einem das Leben versüßen kann oder für zeitweilige Entspannung sorgt. Doch lebenswert ist, da bin ich mir sicher, am Ende ganz allein nur, was unantastbar über dem allen steht, Zeit und Ewigkeit überdauert und sich mir jeden Morgen neu bereitwillig erschließt, mich auch ohne von meinen Umständen abhängig zu sein am Abend liebevoll und vertraut in die Arme nimmt und am Ende des Lebens hinüber geleitet vom Glauben zum Schauen.
Und noch eines wird mir ganz neu klar: Wer diese Geborgenheit kennt, der kann auch die schönen und ganz besonderen Augenblicke des Lebens in vollen Zügen genießen und sie in sich aufnehmen, um in stillen Stunden dankbar von ihnen zu zehren!

Auf einer alten Jugendbibel mit dunkelblauem abgegriffenem Plastikeinband kann ich noch den flotten Spruch eines Aufklebers aus den frühen Achtzigern entziffern:

''Wer Jesus nicht kennt, hat sein Leben verpennt!''

Und so ändere ich kurzerhand die Eingangsfrage um in ''Wer macht das Leben lebenswert''. Die Antwort kenne ich schon in doppeltem Sinn, nicht nur thematisch, sondern, und das ist das wichtigste, ganz persönlich aus meinem täglichen Erleben.

Schildkröten, Tricolors und Speiseeis, Urkunden, Ausflüge und Blumengärten - Sie alle sind Zugaben, göttliche Geschenke. Und ich bin dankbar für jeden einzelnen von ihnen, verwandeln sie doch jeden Tag in ein ganz besonderes Ereignis. Und ich bin gespannt, welche göttlichen Dreingaben das Leben noch für mich bereithält.


Joachim Kretschmann




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