Lukas und die Weihnachtsdiebe
- weihnachtliche Kurzgeschichte für Kinder -








Lukas und die Weihnachtsdiebe



Weihnachtsdiebe

Als es endlich klingelte brachen die Kinder der 2a in lauten Jubel aus. Sie hatten die letzte Schulstunde an diesem Freitagmittag hinter sich gebracht. Und das bedeutete: Endlich Weihnachtsferien! Frau Osenbrück, die Klassenlehrerin, ermahnte die Kinder noch, alle Bücher und Hefte sorgfältig wieder in die Schulranzen zu packen, damit auch ja nichts über die Weihnachtsferien liegen blieb. Dann wünschte sie allen noch schöne Ferien und ein frohes Fest. Hastig nahmen die Kinder ihre Stifte und Radiergummis, ihre Lineale und Hefte und packten sie in ihre Schultaschen. Auch Lukas war eifrig dabei, seine Sachen einzupacken. Er war schon immer ein sehr ungeduldiger Junge gewesen und so machte er sich nicht allzu große Mühe beim Einräumen. Er wollte so schnell wie möglich nach Hause kommen, so wie alle seine Klassenkameraden an diesem Tag. Schnell stopfte er seine Sachen in den Ranzen und wollte ihn schließen. Doch das ging nicht. Da er seine Bücher kreuz und quer in seinem Ranzen verstaut hatte, bekam er die Schnallen nicht mehr zu, so sehr er sich auch bemühte. Sollte er etwa alles nochmal auspacken und ordentlich wieder einräumen? Bevor er diesen Gedanken auch nur ansatzweise zu Ende gedacht hatte, verwarf er ihn wieder. „Dann klemm’ ich mir die Tasche eben unter den Arm.“, beschloss er und verzichtete auf das Verschließen. Die Schule so schnell wie möglich zu verlassen stand für ihn jetzt an erster Stelle. Also überlegte er nicht lange, nahm seine Siebensachen unter den Arm und bewegte sich zielstrebig Richtung Ausgang. „Lukas, nicht so schnell!“, rief ihm Frau Osenbrück hinterher, „wozu denn diese Eile?“. Aber Lukas war in Gedanken schon ganz woanders. Er ging eigentlich ganz gern zur Schule. Und auch seine Klassenlehrerin konnte er gut leiden. Aber nun waren endlich Ferien. Weihnachtsferien. Es fiel in diesem Jahr so, dass die Ferien erst zwei Tage vor Heiligabend begannen. Am Sonntag war es also schon soweit! Und hinzukam, dass das Dorf in eine prächtige, weisse Schneedecke gehüllt war. Vor drei Tagen hatte es begonnen zu schneien. Und wegen der Kälte war der Schnee erfreulicherweise liegen geblieben. Für Lukas ein Traum. Er fuhr so gerne Schlitten. Und da die Schule jetzt aus war, wollte er jede Gelegenheit bis zum Fest nutzen um mit seinem roten Bob vom großen schneebedeckten Hügel am Waldrand zu fahren. Manchmal durfte seine Schwester Hanna hinten auf seinem Bob bei ihm mitfahren. Aber dann musste er immer mit angezogener Bremse losdüsen, da Hanna Angst bekam, wenn es zu schnell wurde. Daher fuhr er lieber allein, denn er mochte es, mit hoher Geschwindigkeit den langen Hang hinunter zu gleiten. In Gedanken sah er sich schon oben an der Spitze des kleinen Berges, wie er mit beiden Beinen Anlauf nahm, im letzten Augenblick in den Schlitten hüpfte und schließlich mit vollem Karacho seinen Ritt nach unten begann. Doch jetzt musste er erstmal nach unten zum Ausgang des Schulgebäudes gelangen. Die anderen Kinder hatten auch nicht geschlafen und eilten wie er dem Treppenhaus entgegen. Ihr Unterricht war heute im dritten Stock gewesen, dem höchsten Stockwerk seiner Schule. Das bedeutete noch genau 72 Stufen bis nach unten. Lukas hatte sie alle schon dutzendfach gezählt. Vom Fenster im Treppenhaus aus sah er, wie Schüler aus dem Erdgeschoss bereits den Ausgang erreicht hatten. Jetzt nur noch die Kurve nach dem Klassenzimmer mit ganzem Schwung nehmen und schon konnte der Abstieg beginnen. Elegant rutschte er mit seinen Schuhen um die Kurve und hatte es nun nur noch wenige Meter bis zum Treppengeländer. Doch plötzlich verlor er das Gleichgewicht! Da er den Schulranzen unter dem Arm hatte, gelang es ihm nicht, die Fliehkraft mit seinen Armen auszugleichen. Taumelnd kam er noch einige Meter weit, dann blieb ihm nichts anderes übrig, als den Ranzen loszulassen, um den unausweichlichen Sturz mit beiden Armen abzufangen. Im Fallen sah er noch, wie sein Schulranzen dem Treppenhaus entgegen rutschte, bei voller Fahrt aufging und die meisten seiner Bücher und Hefte unter dem Geländer hindurch wie ein Stein nach unten fielen. Er selbst war inzwischen flach auf dem Boden gelandet, konnte sich aber soweit abbremsen, dass er nur wenige Meter rutschte und ein kleines Stück von den Treppen entfernt zum Halten kam. Sein Schulranzen selbst hatte sich am Treppengeländer verfangen. Er ragte jetzt zur Hälfte in der Luft und drohte ebenfalls in Kürze hinab zu stürzen. Schnell zog Lukas ihn, immer noch mit ganzer Länge auf dem Boden liegend, zu sich zurück, damit er nicht auch noch nach unten fiel. Und schon hörte er ein entferntes Geräusch. Es waren seine Schulsachen, die irgendwo ganz weit unten auf dem Boden aufschlugen. „So ein Mist!“, rief er laut aus. Natürlich war sein spektakulärer Sturz den anderen Kindern nicht entgangen. Einige hatten sich um ihn versammelt und lachten über ihn. Lukas hatte sich zum Glück nicht verletzt. Aber er gab schon eine komische Figur ab, wie er da mit weit ausgestreckten Armen und Beinen auf dem Boden lag. Langsam rappelte er sich wieder auf. Er blickte nach unten. Von seinen Sachen war weit und breit nichts zu sehen. Nicht ungewöhnlich, denn das Treppenhaus war bis zum Kellergeschoss durchgängig und wenn aus dieser Höhe etwas nach unten fiel, dann brauchte man schon ein Fernglas um es zu sehen. Lukas war klar, dass seine Idee von einem schnellen Abgang aus der Schule hiermit erledigt war. Er musste natürlich seine Sachen wieder bekommen. Er schaute in seinen Ranzen. Viel war nicht mehr übrig geblieben, gerade mal zwei Hefte und sein Mäppchen. Alle drei Bücher, die er heute bei sich hatte, sein Hausaufgabenbuch, etwa fünf Hefte, seine Pausenbrotbox und sein langes Lineal waren dem Sturz zum Opfer gefallen. Zudem noch weitere Utensilien, die sich so im Laufe der Zeit in einem Schulranzen ansammelten. Als die anderen Kinder merkten, dass es hier nichts mehr zu sehen gab, hörten sie auf, Lukas zu belagern und setzen ihren Weg in Richtung Ausgang fort. Lukas setze sich ebenfalls in Bewegung. Allerdings war ihm der Sinn nach schnellem Rennen vergangen. Langsam nahm er eine Stufe nach der anderen. Er wollte jetzt bloß nicht nochmal hinfallen. Er brauchte mehrere Minuten bis er im Erdgeschoss angekommen war. Er schien tatsächlich der letzte Schüler zu sein. Alle anderen Kinder waren bereits weg. Auch von den Lehrern ging jetzt einer nach dem anderen nach Hause. Von Lukas nahm keiner mehr Notiz. Sie wollten wohl alle so schnell es geht die Weihnachtsferien antreten. Lukas schaute sich um. Hier im Erdgeschoss war anscheinend nichts von seinen Sachen gelandet. Doch! Da sah er in einer Ecke sein Lineal. Da es durchsichtig war, hatte er es nicht gleich erkannt. Immerhin, dachte er und steckte es in seinen Ranzen. Dann konnten die restlichen Dinge nur ganz unten am Kellereingang liegen. Dort unten war er erst einmal gewesen. Nicht im Keller direkt, der war abgeschlossen, er war nur einmal beim Versteck spielen die lange immer dunkler werdende Treppe bis zur Eingangstüre zum Keller hinab gestiegen. Die Treppe zum Keller war deswegen so lang, weil diese Räume im Krieg als Luftschutzbunker dienten. Das hatte er mal von einem alten Lehrer gehört. Normalerweise durfte nur der Hausmeister diese Räume betreten. Ihm war tatsächlich ein wenig mulmig zumute, denn bis ganz nach unten drang kaum mehr Tageslicht. Aber es musste nun mal sein. Ohne seine Sachen konnte er nicht nach Hause gehen. Also begab er sich auf den Weg. Je weiter er die Stufen hinunter kam, desto stärker wurde ihm bewusst, dass er ganz alleine war. Das sonst so muntere Treiben, das Stimmenwirrwarr, all die Geräusche, die so typisch waren für einen belebten Platz wie seine Schule, waren einfach nicht da. Das verringerte sein mulmiges Gefühl nicht gerade. Doch er war ein mutiger Junge. Bestimmt hatte er seine Sachen ganz schnell wieder eingepackt und dann würde er diesen Moment wieder völlig vergessen. Nun war er auch unten angekommen. Mit dem Fuß stieß er schon gegen eines seiner Bücher. Dann konnte der Rest auch nicht weit sein. Sicherheitshalber kniete er sich hin um den Boden mit seinen Händen abzutasten. Es gab hier viel zu wenig Licht, um gut sehen zu können. Und tatsächlich ertastete er immer mehr seiner Bücher und Hefte und steckte sie ein. Um ganz sicher zu gehen, ging er noch einige Meter weiter, um auch nichts zu vergessen. Doch was war das? Plötzlich ertastete er eine Tür! Das war die Kellertüre. Zu seiner Überraschung war sie offen! Er konnte sie auf den Knien sitzend hin und her bewegen, auch wenn sie aufgrund ihres Gewichtes sehr schwerfällig war. Er stand auf. Das wollte er sich nun doch etwas näher anschauen. Er schaute in den langen Gang, der sich vor ihm auftat. Doch er konnte so gut wie nichts erkennen. Der Gang schien sehr lang zu sein. Er begab sich einen Schritt hinein in den Kellerraum. Mit einer Hand hielt er die Türe fest, damit sie nicht zufiel, und er hier plötzlich eingeschlossen wäre. Er wartete einen Moment. Vielleicht dauerte es ein wenig, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Aber es änderte nichts, hier war es absolut stockduster. Er nahm seine Schultasche und stellte sie in die Tür, damit sie auf keinen Fall zufallen konnte. Vorsichtig tastete er die Wände nach einem Lichtschalter ab. Doch er konnte keinen finden. Dann hielt er inne. Hatte er da nicht gerade eine Stimme gehört? Lukas vermied es nun, auch nur das geringste Geräusch von sich zu geben. Selbst seinen Atem hielt er an und hörte hochkonzentriert in den Gang hinein. Keine Stimme. Fast wollte er schon wieder zu atmen beginnen, da hörte er wieder ein weit entferntes Murmeln. Nun schien er fast sicher zu sein, dass es mindestens zwei Stimmen waren. Vorsichtig begann er wieder zu atmen. Er ging einige Schritte weiter. Da, schon wieder! Jetzt war er sich sicher. Hier unten war jemand. Nun half nichts mehr, seine Neugierde war geweckt. Was soll’s dachte er sich, ob er nun zehn oder zwanzig Minuten zu spät kam, das machte jetzt auch keinen Unterschied mehr. Immer weiter begab er sich in das Innere des Kellergewölbes. Er hatte richtig vermutet, es handelte sich tatsächlich um einen sehr langen Gang. Mittlerweile war es völlig dunkel geworden. Er konnte nicht allzu schnell gehen, da er sich die Hände vor den Kopf hielt, um nicht irgendwo anzustoßen. Er hörte die Stimmen nun immer deutlicher. Was sie sagten, war noch nicht zu verstehen, aber er war sich nun ganz sicher, dass sich zwei Personen unterhielten. Er hörte abwechselnd eine sehr tiefe, langsam sprechende Stimme und dann eine Stimme, die er meinte, irgendwo schon einmal gehört zu haben. Es war eine Männerstimme, nicht so tief wie die andere, aber irgendwie krächzend. Die meiste Zeit sprach die tiefe Stimme. Eine solch tiefe Stimme hatte er noch nie zuvor in seinem Leben gehört. Je näher er kam desto sicherer war er, dass die krächzende Stimme meist „Ja, Ja, in Ordnung“ oder etwas ähnliches sagte. Dann war wieder die tiefe Stimme dran. Je weiter Lukas kam, desto besser konnte er die Stimmen hören. Und dann war es soweit. Die Stimmen waren nun so nahe, dass die Personen in seiner unmittelbaren Nähe sein mussten. Die Stimmen schienen nun nicht mehr von vorne, sondern von rechts zu kommen. Vorsichtig tastete Lukas die Wand zu seiner Rechten ab. Und tatsächlich! Dort zeichnete sich eindeutig eine Seitentüre ab. Hinter dieser Türe war also ein Raum! Und darin waren diese zwei Personen. Sein Herz schlug schneller. Er presste sein Ohr ganz fest an die Türe und konnte nun ganz genau hören, was die Männer sagten. „Dann machen wir es also so“, sagte die tiefe Stimme. „In Ordnung“, erwiderte die krächzende Stimme. „Wir machen alles so wie abgemacht“, fuhr die tiefe Stimme fort, „in der Nacht vor Heiligabend um Mitternacht fangen wir Weihnachten ein. Dann bringen wir es für immer weg und es wird an diesem Tag kein Weihnachten geben. Niemals mehr wird es dann ein Weihnachten geben. Treffpunkt morgen Mitternacht an diesem Ort. Seien Sie pünktlich!“. Dann fing die tiefe Stimme an, kalt und höhnisch zu lachen, so dass Lukas fast das Blut in den Adern gefror. Auch die krächzende Stimme stimmte in das Gelächter mit ein. Dann war nur noch Stille. Lukas stockte der Atem. Er war völlig von Sinnen. Was hatte er da gerade gehört? Er konnte es immer noch nicht glauben. Er zwickte sich. Nein, das war kein Traum. Er hatte tatsächlich gerade mitbekommen, dass zwei Männer Weihnachten einfangen wollten und es nie wieder Weihnachten geben sollte! Das war ein großer Schreck. Er war so groß, dass er nicht mehr stehen konnte. Er rutschte förmlich an der Tür entlang nach unten. Sitzend wischte er sich den Schweiß von der Stirne. Er konnte immer noch nicht ganz glauben, was er gerade gehört hatte. Zwei Weihnachtsdiebe hatten einen abgrundtiefen bösen Plan. Und nur er wusste davon. Er konnte kaum einen normalen Gedanken fassen. Zutiefst erschüttert saß er da. Doch plötzlich sprach die tiefe Stimme wieder: „Dann lass uns gehen. Wir haben eine lange Nacht vor uns“. Dann hörte es sich so an, als würden Sachen zusammen geräumt werden. Lukas wurde klar, dass die beiden Männer den Raum nun verlassen würden. Wie von einer Tarantel gestochen sprang er auf. Er taumelte mehr, als dass er ging. Er musste so schnell wie möglich weg von diesem Ort. Er achtete nicht mehr darauf, ob er leise war. Denn Panik stieg in ihm auf. Er wusste kaum mehr, in welche Richtung er musste. Er griff nach der Tür. Er musste sich orientieren. Die Türe war rechts. Da er jetzt mit dem Gesicht vor der Türe stand, musste er also nach rechts rennen. Und das tat er. Er nahm seine Beine in die Hände und rannte. Er hatte offensichtlich einige Geräusche gemacht. Er bekam noch mit, wie sich die Türe öffnete, vor der er gerade eben noch gesessen hatte. Er hörte die tiefe Stimme: „Ist da jemand?!“. Er rannte nun so schnell er konnte. Zum Glück konnte er einen kleinen Lichtschimmer in Richtung der Eingangstüre erkennen. Er hatte den Ausgang nun fast erreicht. Instinktiv riss er noch seine Schultasche an sich, rannte die Kellertreppe nach oben und dann weiter aus der Schultüre ins Freie. Er hörte nicht auf zu rennen, er sah sich nicht um, erst als er etwa zweihundert Meter von seiner Schule entfernt war, hielt er völlig erschöpft an. Er blickte hinter sich. Es schien ihm niemand gefolgt zu sein. Keuchend setze er seinen Weg fort. Nur so schnell wie möglich nach Hause, dachte er sich. Glücklicherweise wohnte er nicht allzu weit von der Schule entfernt. Noch etwa zehn Minuten Fußweg und dann war er da. Schließlich erreichte er immer noch erschöpft sein Zuhause. Als er angekommen war, begrüßte er nur schnell seine Mutter, ging in sein Zimmer und warf sich erstmal fix und fertig auf sein Bett.


Eckart Haase

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