Lukas und die Weihnachtsdiebe
- weihnachtliche Kurzgeschichte für Kinder -








Lukas und die Weihnachtsdiebe (4)



Weihnachtsdiebe

Als der Wecker klingelte, war Lukas sofort hellwach. Schnell machte er den Wecker aus, damit ihn niemand hören konnte. In seinem Schlafanzug stand er auf und ging zur Tür seines Kinderzimmers. Leise öffnete er sie. Es war stille. Aus dem Schlafzimmer seiner Eltern drang ein schwacher Lichtstrahl. Seine Eltern waren offenbar noch wach. Sie hatten die Angewohnheit, abends früh zu Bett zu gehen und noch ein wenig zu lesen oder fernzusehen. Die Luft war also rein. Er ließ die Tür leicht angelehnt, damit er sofort hören konnte, wenn draussen etwas vor sich ging. So leise es ging, zog er sich die bereitgelegten Sachen und seine Winterschuhe an. Die Taschenlampe hatte er gut verstaut. Alles andere würde Marco mitbringen. Lukas sah auf seine Armbanduhr. Es war jetzt zehn Minuten nach halb Elf. Noch zwanzig Minuten bis zum vereinbarten Termin. Lukas legte ein paar Kuscheltiere unter seine Bettdecke, damit es so aussähe, als läge er im Bett. Wieder ging er zur Tür. Er musste runter in das Erdgeschoss und dazu am Schlafzimmer seiner Eltern vorbei. Er zögerte. Wenn ihn jetzt jemand erwischen würde, wäre alles vorbei. Angestrengt lauschte er in den Korridor. Es war nichts zu hören. Vielleicht waren seine Eltern auch schon eingeschlafen. Auch aus dem Zimmer seiner Schwester drangen keine Geräusche. Also los jetzt, dachte sich Lukas. Er überlegte, ob er schnell am Schlafzimmer seiner Eltern vorbei huschen sollte, oder ob Schleichen die bessere Wahl wäre. Huschen würde schneller gehen, wäre aber auch lauter. Er überlegte hin und her. Dann kam ihm eine Idee. Er zog sich die Schuhe wieder aus. Dann nahm er sie in die Hand, schaltete das Licht aus und ging aus dem Zimmer. Vorsichtig schloss er die Tür. Und dann flitzte er los. Ganz schnell war er an der Treppe angekommen und lief nach unten. Da er keine Schuhe trug, bewegte er sich leise und unauffällig. Unten angekommen, zog er sich die Schuhe wieder an. Bis hierhin hatte alles gut geklappt. Jetzt nur noch schnell aus dem Haus heraus. Lukas hatte schon einen eigenen Hausschlüssel, den er an einem Band um den Hals trug. Er konnte also auch wieder herein. Wann würde das sein? Er konnte es beim besten Willen nicht sagen. Er hoffte, dass er rechtzeitig wieder da sein würde, damit niemand etwas bemerkte. Leise begab er sich nach draussen. Es war sehr dunkel, Laternen brannten um diese Zeit keine mehr. Glücklicherweise war es nicht bewölkt, so dass der Mond und die Sterne am Himmel etwas Licht boten. Aber den Weg zur Schule kannte er sowieso in und auswendig. Ob Marco schon auf war? Er hoffte es. Sie hatten vereinbart, dass jeder für sich zum Treffpunkt gehen sollte, da sie zu zweit zu sehr auffallen konnten. Im Moment wünschte er sich, sie wären dieses Risiko doch eingegangen. Ein überschaubares Risiko, wie er fand. Aber er fand sich mit der Situation ab. Was blieb ihm schon anderes übrig? Zügig begab sich Lukas in Richtung Schule. Es war sehr kalt und die Landschaft war weiterhin in tiefen Schnee gehüllt. Zur Schule würde er etwa zehn Minuten brauchen. Jetzt war es zehn Minuten vor Elf. Er würde es also pünktlich schaffen. Es war sonst weit und breit niemand auf der Straße. Kein Wunder, denn es war kalt und dunkel und in ihrem Dorf war um diese Zeit nichts mehr los. Ihm war ein bisschen mulmig zumute, was einerseits an der Kälte lag, aber auch an der ernsten Situation, in der er sich befand. Er war noch nie zu so später Stunde alleine unterwegs gewesen. Und er hoffte, dass er es auch nie mehr zu tun brauchte. Er beschleunigte seine Schritte. Denn er begann zu frieren. Doch es war nicht mehr weit. Die letzten Hundert Meter lief er fast. Dann war er da. Doch wo war Marco? Er stand jetzt direkt vor der Treppe zum Haupteingang. Vor sich tat sich seine Schule auf. In der Dunkelheit wirkte sie noch größer und majestätischer als es ohnehin der Fall war. Es kam ihm alles sehr unwirklich vor. Diesen Ort verband er mit viel Geräusch, mit Kinderstimmen, mit Lachen und Spielen. Und vor allem mit Tag und Sonnenschein. Doch jetzt war es duster und still. Und er war ganz allein. Doch dann hörte er aus der Dunkelheit eine flüsternde Stimme. „Lukas, ich bin hier, komm zu mir!“. Das musste Marco sein. Er war schon ein wenig in Richtung Rückseite des Gebäudes gegangen und hatte sich dort hinter einem Busch versteckt. Schnell begab sich Lukas in Richtung der Stimme. Ja, es war Marco. Kurz begrüßten sie sich. Marco hatte einen Rucksack auf dem Rücken, in dem offenbar seine Ausrüstung verstaut war. Marco hielt sich nicht lange mit Reden auf. Mit seiner Hand bedeutete er Lukas, ihm zu folgen. Leicht geduckt ging er voran und Lukas folgte ihm in sicherem Abstand. Nun waren sie am präparierten Fenster angekommen. Vorsichtig drückte Marco dagegen. Es öffnete sich. Der Papierkorb, den sie davor gestellt hatten, verursachte ein schleifendes Geräusch. Marco öffnete das Fenster daher nur so weit, dass sie so gerade eben hindurch passten. Behände schlupften beide in das Innere. Hier war es noch dunkler als draussen, so dass man die Hand nicht vor Augen sehen konnte. Sie machten ihre Taschenlampen an. „Komm, lass uns schauen, ob die Kellertür nicht doch offen ist“, schlug Marco vor. Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er voraus. „Warte kurz hier“, sagte er zu Lukas. Dann verschwand er die Treppe runter. Unten angekommen, versuchte er die Tür zu öffnen, aber wie erwartet war sie zugesperrt. Marco kam wieder hoch. „Gut, dann ab in die Küche!“. Leise schlichen sich die beiden in die Schulküche. Da sie sich im Schulgebäude bestens auskannten, hatten sie keine Schwierigkeiten sich zu orientieren. Schnell fanden sie den Lastenaufzug. Lukas hatte ihn nur noch dunkel in Erinnerung. Er war zwar mit seiner Klasse auch schon zum Backen in der Küche gewesen, aber von ihnen war niemand auf den Gedanken gekommen, die Knöpfe an dem Gerät zu drücken. Glücklicherweise hatte Marco diese Erfahrung bereits gemacht. Sonst hätten sie jetzt womöglich keinen Weg in den Keller gehabt. Marco öffnete den Lastenaufzug. Mit seiner Taschenlampe leuchtet er hinein. Auch Lukas nahm seine Lampe und schaute sich den Aufzug an. Er war wirklich sehr klein. Marco musterte den Aufzug eine ganze Weile. Er schien etwas abzuschätzen. „Mist“, sagte er dann leicht resigniert, „ich hatte den Aufzug viel größer in Erinnerung. Ich glaube fast, ich passe nicht rein.“ Er versuchte dennoch in den Aufzug zu steigen. Doch so sehr er sich auch krümmte, es wollte ihm nicht gelingen. „Versuch du es mal“, forderte er Lukas auf. Lukas, als der jüngere, war ein wenig kleiner und zierlicher als Marco. Vielleicht würde es ihm gelingen, den Aufzug zu besteigen. Und tatsächlich, wenn es auch sehr eng war schaffte Lukas es, sich so gerade eben in den Aufzug zu zwängen. „Kleine Planänderung“, sagte Marco, „du fährst schonmal nach unten. Hier gebe ich dir dein Walkie Talkie. Wir bleiben über Sprechfunk in Verbindung. Ich warte hier oben, bis die Diebe angekommen sind. Dann folge ich ihnen in den Keller. Du versteckst dich schonmal in dem Raum und ich versuche dann irgendwie zu dir zu stoßen. Alles Roger?“ Lukas passte das zwar gar nicht. Es grauste ihn vor der Vorstellung dort unten ganz allein in dem Raum mit den Dieben zu sein, aber sie hatten keine andere Wahl. Also stimmte er zu. Marco schloss den Lastenaufzug und betätigte den Knopf nach unten. Umgehend setzte sich das Gefährt in Bewegung. Es ächzte und knarrte. Und Lukas betete in seinem Verließ nur noch darum, dass bloß alles gut gehen möge. Es kam ihm so vor, als würde die Fahrt eine kleine Ewigkeit dauern. Doch endlich setzte der Aufzug mit einem lauten Rumps auf. Schweißperlen hatten sich auf Lukas' Stirn gebildet und sein Puls ging schnell. Jetzt bloß raus aus dem Ding und wieder zur Besinnung kommen, dachte er bei sich. Also öffnete er die Tür. Es war gar nicht so leicht, wieder mit den Füßen voraus zu landen. Mit vielen Windungen schaffte er es so gerade eben. „Lukas, Lukas, bitte melden, alles klar da unten?“ krächzte es aus dem Lautsprecher des Walkie Talkie. Lukas nahm sein Sprechfunkgerät und etwas mitgenommen antwortete er: „Alles Roger, gut angekommen, werde mich jetzt umsehen und mich wieder melden. Ende.“ Dann schaltete er seine Taschenlampe ein und sah sich um. Er befand sich in einer Art Speisesaal. Ein ziemlich langer, rechteckiger Tisch und ein paar alte Stühle standen herum. Es roch vermodert. Lukas fragte sich, wie lange hier wohl niemand mehr gewesen sein mochte. Er blickte auf die Uhr, es war jetzt kurz vor halb Zwölf. Eine halbe Stunde blieb also noch. Nun musste er erstmal feststellen, wo er sich befand. Gleich zu seiner Rechten befand sich eine eiserne Tür. Sie war nicht verschlossen, ging aber sehr schwer auf. Lukas musste sich mit seinem ganzen Gewicht gegen die Tür stemmen, damit sie sich endlich öffnen ließ. Als er es geschafft hatte, fand er sich in einem dunklen, langen Gang wieder. Mit der Taschenlampe leuchtete er in beide Richtungen. Vermutlich war das der Gang, der auch ins Schulgebäude führte und auch zum Raum der Diebe. Er wusste nicht, in welche Richtung er laufen sollte. Also ging er erst einmal nach rechts. Da er bei seinem ersten Besuch hier unten so gut wie nichts gesehen hatte, konnte er sich kaum an etwas orientieren. Er beschloss den Gang einfach zu Ende zu gehen und zu sehen, was ihn erwartete. Doch da meldete sich Marco: „Hallo Lukas, hallo Lukas, wie sieht’s aus bei dir da unten? Ich begebe mich jetzt in Richtung Kellertreppe. Werde mich dort irgendwo verstecken und auf die Diebe warten. Ende“. Lukas nahm das Funkgerät und im Gehen antwortete er: „Alles klar, bin in einem langen Gang. Versuche nun den Raum zu finden. Müsste hier in der Nähe sein. Ende.“ Vielleicht war es gar nicht einmal so ungünstig, dass sie getrennt waren, dachte sich Lukas. So könnte Marco ihn rechtzeitig vor der Ankunft der Diebe warnen. Im Moment war er aber völlig auf sich allein gestellt. Schon bei dem Gedanken wurde ihm ganz anders zumute. Doch nun sah er, dass sich der Gang dem Ende zuneigte. Zwischendurch war er an zwei Seitentüren vorbei gekommen. Ob eine davon die besagte war? Doch als er am Ende des Ganges angekommen war, war klar, dass er in die falsche Richtung gegangen war. Denn der Gang endete nicht mit einer Tür, sondern machte hier einen 90 Grad-Knick. Rechts herum schloss sich ein weiterer Gang an. Er musste also umkehren. Immerhin war jetzt klar, wohin er gehen musste. Hastig ging er wieder zurück. Schon bald kam er wieder an der Tür zum Speisesaal vorbei. Und einige weitere Momente später erreichte er tatsächliche die Haupttür zum Schulgebäude. Nach dem Speisesaal war er an nur einer Tür links vorbeigekommen. Das musste die richtige sein. Er ging schnellen Schrittes zu dieser Tür. Von der Distanz her kam es ebenfalls gut hin. Das war in jedem Fall die Tür, vor der er gestern Mittag bereits stand. Er nahm das Funkgerät: „Marco, bitte melden. Stehe jetzt vor der Tür, werde nun versuchen mich dort zu verstecken. Ende.“ „Alles klar“, kam es aus dem Lautsprecher, „bei mir ist noch alles ruhig. Dreh die Lautstärke an deinem Funkgerät runter, so dass du mich nur hören kannst, wenn du dir das Gerät ans Ohr hältst. Sonst hören uns die Diebe vielleicht. Und wenn du sprichst, ab jetzt nur noch flüstern. Bitte bestätigen. Ende“. „Bestätigt“, antwortete Lukas, „begebe mich jetzt in den Raum. Ende“. Vorsichtshalber lauschte Lukas an der Tür. Doch es war alles still. Vorsichtig öffnete er sie und leuchtete in den Raum. Es war niemand sonst darin. Schnell schloss er die Tür wieder. Er sah sich um. Doch was war das? Er stand hier in einer Art Laboratorium. Kein Vergleich zum alten, modrigen Gemäuer, in dem er zuvor gewesen war. Dieser Raum war relativ groß, überall befanden sich kompliziert aussehende Geräte und Apparaturen. Von einem alten Luftschutzkeller war hier nichts mehr zu erkennen, die Wände waren mit irgendetwas Metallischem beschichtet. Oben, etwa fünfzehn Meter über dem Boden befand sich eine riesige Kuppel. Lukas konnte es nicht fassen. Wie kommt denn so eine Kuppel in einen Keller? Es schien, als hätte hier jemand heimlich mehrere Stockwerke senkrecht miteinander verbunden. Die Kuppel mündete offenbar im Dach des Schulgebäudes. Er kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Überall standen Computer und Monitore und allerlei technisches Gerät, welches er nie zuvor gesehen hatte. Er kam sich fast vor wie in einem James Bond Film. Er sah auf die Uhr. Viertel vor Zwölf. Schnell musste er sich hier irgendwo verstecken. Doch wo? Er schaute sich überall um. Dann fand er einen kleinen Computertisch, unter dem zwei Kisten standen. Das war das ideale Versteck! Er konnte unter den Tisch krabbeln und sich hinter den Kisten verstecken. Von diesem Tisch aus, hatte er sogar einen guten Überblick über den Raum. Schnell setzte er seine Idee in die Tat um. Er hatte einigermaßen Platz dort unten. Jetzt konnte er nur noch warten. Er nahm das Funkgerät. Zunächst drehte er die Lautstärke bis fast ganz nach unten. Er musste testen, ob er Marco so hören konnte. „Marco, bitte melden, habe mich jetzt in dem Raum versteckt. Wie ist die Lage?“, flüsterte er in das Mikrofon. Dann hielt er sich den Lautsprecher direkt ans Ohr. Leise konnte er Marco hören: „Hier noch alles ruhig, sei vorsichtig, ich werde dich auf dem Laufenden…. Ach du Schreck, ich glaube, es kommt jemand! Ab jetzt absolute Vorsicht, ich melde mich später wieder, over und out.“ Lukas hatte alles verstanden. Nun schien es also bald loszugehen. Er machte seine Taschenlampe aus. In wenigen Augenblicken würde sich die Zukunft von Weihnachten entscheiden.


Eckart Haase

Fortsetzung:
Seite 5


Seite 4
[ 1, 2, 3, 4, 5 ]



Startseite: www.christliche-autoren.de

In christliche-autoren.de suchen:


weitere Kurzgeschichten des Autors:
Zielrichtung Himmel
Das Regenbogenland
Nina und der Weihnachtszettel

Übersicht Weihnachtsgedichte

© www.christliche-autoren.de


www.christliche-autoren.de - Ein evangelistisches Projekt gläubiger Christen.
In Kooperation mit Lichtarbeit & Aussteigerinfo & Bibelleser