Der singende Schwan
- Gedanken zum Reformationstag -





Der singende Schwan


Reformationstag

Sie bespuckten ihn, bewarfen ihn mit Dreck und wedelten mit den Fetzen seines vom Leib gerissenen Gewandes als Siegestrophäen, mit den Heiligenfiguren als den stummen Zeugen ihres Vernichtungswerkes unter der hohen Kuppel des Konstanzer Münsters. Auf dem Weg vor die Tore der Stadt musste er, der so vielen Menschen durch schlichte Verkündigung und die Übersetzung der Bibel in ihre Sprache die Erlösung gebracht hatte, eine Papiermütze mit kleinen Teufeln als Symbol des Ketzers tragen, vorbei an den aufgehäuften Schriften seines Lebenswerkes, die für unzählige Menschen zum großen Segen geworden waren und die sie nun triumphierend vor seinen tränenden Augen verbrannten. Am Abend schließlich, kurz bevor die Flammen des Scheiterhaufens seinen gemarterten Leib verzehren konnten, wandte er sich mit wahrhaft prophetischen Worten an seine Mörder: ´Heute bratet ihr eine magere Gans, doch nach hundert Jahren werdet ihr einen Schwan singen hören. Diesen werdet ihr aber weder braten noch mit dem Netz oder Schlingen fangen können`. Danach nahm ihm ein starker Rauch den Atem und er ging heim zu seinem Herrn.

Einhundert Jahre später schlug ein Mann Gottes 95 Thesen an das Tor der Kirche zu Wittenberg, sein Name Martin Luther. Der Schwan hatte zu singen begonnen. Denn wo die Schergen der römischen Kardinäle noch den Jünger Jesu mit Namen Jan Hus auf dem Brühl in Konstanz hatten verbrennen können, da konnten sie das seit John Wycliff zunehmend lauter werdende Freiheitslied der Reformation nun nicht mehr zum schweigen bringen.
Die Errungenschaften dieses Siegeszugs des Evangeliums über die Irrlehren Roms wurden seither für Millionen von Menschen zur Eintrittstür in das Himmelreich, zum Beginn eines neuen Lebens mit Christus. Die von Rom weggeschlossene Heilsbotschaft war nach so langer Zeit wieder für alle Menschen erfahrbar, in ihrer Sprache und ohne Pervertierung durch die allein der Machtsicherung der Kirche dienenden Regeln von Menschen, die sich angemaßt hatten, Gott zu repräsentieren und doch selber unendlich weit entfernt waren vom Heil allein aus Gnaden. Die Kirchenführer hatten sich an Gottes statt gesetzt mit so untragbaren Forderungen wie der durch die Bibel ausdrücklich verbotene Heiligen – und Marienverehrung, der widernatürlichen und aufgezwungenen Ehelosigkeit der Priester, der ungeheuerlichen Anmaßung, obwohl selbst nur sündhaftes Geschöpf, nun in der Eucharistie Leib Gottes schaffen zu können und am Ende schließlich mit dem Papst als dem Gipfel der Gotteslästerung, einem sündhaften Menschen aus Fleisch und Blut an Stelle des einzig wahren Stellvertreter Gottes auf Erden, dem Heiligen Geist, der in den Gläubigen wohnt und sich durch das Wort Gottes und in der Gemeinschaft der Kirche offenbart. Und genau da setzte Gott den Hebel der Wahrheit und des Lichtes an und erweckte Männer wie John Wycliff, Jan Hus und Martin Luther. Und er tut es immer noch, was die noch nie dagewesene hohe Zahl an ermordeten Christen in unseren Tagen zeigt. Sie alle starben und sterben nicht für eine bloße Überzeugung, sondern aus Liebe zu ihrem Herrn und aus in ihr Herz gelegter Liebe zu den Menschen, deren Rettung sie sich wahrhaft mit Leib und Leben verschrieben haben.

Somit ist der Reformationstag nicht allein ein Gedenktag an die Geschehnisse zu Wittenberg und in der kurfürstlichen Wartburg, sondern im Grunde eine Erinnerung daran, dass die Apostelgeschichte jeden Tag und mit jedem neu zum Glauben gekommenen Menschen weiter geschrieben wird. Ja er ist letztendlich die eindringliche Frage eines John Wycliff, eines Jan Hus und eines Martin Luther an uns alle, welchen Preis wir bereit sind, für die Freiheit des Evangeliums zu zahlen und wie weit wir willens sind, den Weg mit Gott bis zum Ende zu gehen. ´Denn`, so die Bibel in Epheser 2 Vers 10, ´wir sind Gottes Werk, in Christus Jesus für die guten Werke geschaffen, die er schon für und vorbereitet hat, damit wir sie ausleben sollen.`


Joachim Kretschmann




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