Das beste face-book
- christliche Kurzgeschichte -





Das beste face-book




Oma Marita schaut auf die Uhr. Wenn der Bus pünktlich ist, müsste Patrik jetzt gleich klingeln! Endlich kommt ihr ältester Enkel wieder mal zu Besuch! Schon fast zwei Jahre hat sie ihn nicht mehr gesehen, nur am Telefon mit ihm gesprochen. Eine kurze Umarmung und der erwartete lustige Kommentar auf Omas Bemerkung: „Ja, ich bin groß geworden, Oma! ich kann schon allein mit dem Löffelchen essen!“ Patrik lässt sich den noch warmen Nusskuchen schmecken und erzählt mit vollem Mund, was er letzten Sonntag mit seinen Kumpels beredet hat. Oma staunt: „Woher kennst du denn die Jungs? Wie du sagst, wohnen sie doch mindestens 30 Kilometer von euch entfernt.“ „Oma! Das ist doch easy! Wir kennen uns aus dem Netz, über face-book und so! Da verstehst du bestimmt nichts von!“ Oma Marita lächelt verschmitzt. „Tja, das ist eine Wissenschaft für sich, besonders, wenn man in zwei ganz verschiedenen face-book-Portalen zuhause ist.“
Ihr Enkel läßt das letzte Kuchenhäppchen von der Gabel fallen. „Häh? Du postest aber kariert, Oma. Es gibt nur ein face-book .“ Oma wechselt von ihrem Stuhl auf die Couch hinter dem Tisch. Sie nimmt ein dickes Buch vom Sitz, hält es Patrik hin und sagt ruhig: „Guck, das ist mein wichtigstes face-book, da schau ich jeden Tag öfter rein und lese, was ich für Post bekomme. Die Beiträge da im Internet, von denen interessieren mich nur wenige.“ Patrik bringt den nächsten Satz nur in Bruchstücken heraus. „Du bist im face-book angemeldet, Oma? Was machst du denn da? Rentner-Chat oder Friedhofs-Geflüster?“ Oma sieht ihn ein bisschen traurig an. „Nun mal halbe Kraft voraus, mein Junge. Meinst du, es gäbe bei diesem öffentlichen Briefverkehr auch schon eine Altersgrenze? Ich könnte zwar auch gut ohne diese weltweite Masse von Freunden leben, aber ab und zu finde ich da auch was von lieben Menschen die ich aus dem wirklichen Leben schon kenne. Ich hab sogar ein paar neue inzwischen persönlich getroffen, die eine Zeitlang für mich nur durch Worte existiert haben. Mach deinen Mund wieder zu, Patrik! Eigentlich wundert es mich, dass du mich bis jetzt noch nicht in deiner Freundesliste gefunden hast.“ Patrik wollte zu einer Antwort ansetzen, aber Oma Marita unterbrach ihn. „Du redest nur vom elektronischen face-book, mein Kind - hast du nicht mitgekriegt, von welchem face-book ich eben sagte, dass es für mich das wichtigste Forum ist?“
Patrik schüttelte mit dem Kopf. Oma schlug das dicke Buch an der Stelle auf, wo ein dünnes Heft zwischen den Seiten lag. Jetzt wurde Patrik lebendig. Er stand halb vom Stuhl auf und griff sich an die Stirn. „Ne ja, war ja klar, Oma! Das ist deine Bibel! Ist das sogar dieselbe, aus der du mir und Ulrike vorgelesen hast, wenn wir mal bei dir schlafen durften?“ Oma nickte. Patrik setzte sich wieder hin. „Wie kommst du bloß auf die irre Idee, Oma, dass die Bibel so was ähnliches ist wie face-book?“
„Überleg doch mal! Was findest du, wenn du diese Info-Börse anklickst?“ „Viele Leute haben was gepostet und warten drauf, dass sie Antwort kriegen.“ „Korrekt. Wenn ich meine Bibel aufschlage, lese ich Beiträge von vielen Leuten, die was von Sachen erzählen, die sie erlebt haben, obwohl sie überhaupt nicht wissen können, wer das liest und wer das gut oder dumm findet. Und das Besondere an den Berichten in der Bibel ist: sie werden niemals gelöscht, ich kann da Sachen lesen, die schon vor über fünftausend Jahren geredet worden sind. Sowas findest du in deinem face-book nicht. Und was machst du, wenn da Beiträge sind, die dir gefallen?“
„Dann like ich das mit dem Button.“ „Und darüber freut sich dann der Empfänger. Siehst du, so ähnlich reagiere ich auch. Wenn mir ein Satz oder mehrere in der Bibel gefällt -oder sagen wir, ich finde sie wichtig und interessant, dann brauche ich nur zu denken: Vater, das ist ein gutes Wort, das macht mich froh und gefällt mir! Dann weiss ich genau, der Absender hat meine Antwort gehört und freut sich auch. Mach mal weiter, Patrik. Was passiert noch, wenn du eine Mail von jemandem kriegst, der zu deinen ausgewählten Freunden gehört?“
Patrik reibt sich die Nase. „ Na ja, dann weiss ich, dass nur ich sehen kann, was der schreibt. Für andere, die das nicht zu wissen brauchen, ist das gesperrt.“
„Diese Ähnlichkeit ist mir bis jetzt selbst noch nicht aufgefallen! Siehst du, welch ein wunderbares face-book die Bibel ist? Wieviele Sätze habe ich auf den über tausend Seiten schon zigmal gelesen – und sie haben mir persönlich so gut wie nichts bedeutet. Sie waren für mich wie gesperrt. Und dann stolpere ich plötzlich über Worte, da weiss ich: Das ist jetzt für mich ganz allein! Da sagt mir mein bester Freund etwas, das geht nur mich und ihn etwas an!“ Oma lässt zwei Sekunden verstreichen, dann setzt sie fort: „Siehst du, darum ist die Bibel für mich das kostbarere face-book. Da reden nicht nur Menschen mit mir Mensch, da redet der Schöpfer aller Dinge zu mir direkt und lässt mich fühlen, wie wichtig ich ihm bin.“ Patrik kontert: „Aber du hast kein Profil auf dem du zurückschreiben kannst.“ Oma lacht. „Wieso denn nicht? Mein Profil ist meinem Freund seit Ewigkeiten bekannt – und Antwortzeilen habe ich soviel, wie ich will. Um etwas zu formulieren, brauch ich noch nicht mal eine Tastatur – da reicht es, meine Gedanken in eine einigermaßen geordnete Reihenfolge zu bringen. Dann funktioniert das mit der Übersendung einwandfrei!"
Patrik ist skeptisch. „Mir wär das zu langweilig, Oma. Immer nur mit einem einzigen Freund hin und her zu posten – ich kann mindestens ein paar hundert Freunde anklicken und weiß von ganz vielen, was sie gerade machen und wie es ihnen geht.“
Oma muss ihm recht geben – in einer Hinsicht. „Ja, das ist wohl einfach – du kannst vor dem Bildschirm sitzenbleiben und gleichzeitig mit einer Menge Leute zusammenkommen. Die Bibel ist da in gewisser Weise menschenfreundlicher. Sie findet, es ist viel spannender - und für Körper und Seele gesünder- wenn man sich nicht nur brieflich erzählt, was man erlebt hat oder schön findet. Woher willst du zum Beispiel wissen, ob der berühmte Sportler wirklich so viel drauf hat, oder ob er im wirklichen Leben einen Sack voll Probleme mit sich schleppt? Da ist mein erstes face-book eben realistischer. Es möchte, dass seine Nutzer ihr Hinterteil aus dem Sessel heben und zu den Menschen hingehen – sogar auch zu denen, die nicht am Netz angeschlossen sind.“
„Jetzt komm ich dich so selten besuchen, Omi – und wir kauen schon eine Stunde lang dieses komplizierte Thema durch. Ich wollte dich eigentlich fragen, ob du mir für meine Schulabschluß-Fahrt ein bisschen Taschengeld zuschießen kannst.“
Oma Marita ist zwar nicht allzu begeistert von dem wahren Grund ihres lieben Besuchs, aber Patrik hat sie noch nie umsonst mit so einem Dackelblick angesehen. „Ich leg dir den Schein in eine von meinem pocket-bibeln. Die lässt sich ohne Probleme im Handgepäck unterbringen und ersetzt im Flugzeug das vermisste face-book ganz wunderbar.“ „Oh Oma, du schaffst mich noch!“ seufzt der sechzehnjährige lange Lulatsch. Er umarmt seine altmodisch-moderne Oma und verspricht ihr, sie bald als ausgesuchte Freundin in seine face-book-Liste aufzunehmen. Marita freut sich und ist begeistert. Dass sie ihm -und damit seinem kompletten Zuschauerkreis -ab und zu ganz überraschende Beiträge posten wird, das sagt sie ihm klugerweise jetzt noch nicht!



Ursula Hellmann








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