Besser als Törtchen
- christliche Kurzgeschichte -





Besser als Törtchen




„Halt das fest“, sagt die Mutter und legt einige wenige Geldstücke in die Hände ihres Sohnes. „Verlier es nicht… und pass auf, wenn du über die Straße gehst!“
Als sie sich umdreht um sich wieder ihrer Arbeit zu widmen, fragt sie sich, ob ihr Sohn vergaß, die Tür zu schließen, da sie diese nicht hörte. Und bisher war es immer unmöglich gewesen, nicht die Türen der Bruchbude knarren zu hören, in welcher sie lebten!
„Mama?“, hört sie ihn fragen. Sie dreht sich um. „Ja?“ „Wir sind arm, oder?“ Die Mutter weiß nicht, was sie sagen soll. Diese Frage war wie ein Schlag, denn sie hatte immer ihr Bestes gegeben, damit ihr Sohn sich nicht benachteiligt fühlte… doch offenbar tut er es trotzdem.
Sie muss die Wahrheit sagen, aber sie will nicht dieses kleine Herz verletzen. Sie geht in die Knie, um ihm besser in die Augen blicken zu können. Sie legt ihre Hände auf seine Schultern. Und er schaut sie an, als könnte er ihre geheimsten Gedanken lesen.
„Hör mir zu…“, sagt die Mutter. „Ich will dich nicht anlügen, deshalb muss ich zugeben: Ja, wir sind arm. Aber welchen Unterschied gibt es zwischen einer armen Familie und einer, die alles kaufen kann, was sie möchte? Beide wachen am Morgen auf und legen sich abends schlafen. Sie haben Hunger, und Durst, und beide machen sich Sorgen über Dinge. Sie wissen nicht, was morgen geschieht, und freuen sich beide, wenn jemand ihnen etwas Hübsches schenkt. Siehst du? Wir alle sind Menschen, und in unserem Innern sind wir alle gleich. Und weißt du was? Du bist ein Prinz, ein richtiger Prinz.“ Sie zögert einen Moment, dann sagt sie: „Und jetzt, kauf, worum ich dich gebeten habe, und heute Abend werden wir das leckerste Essen der Welt haben, ok?“
Der Junge nickt langsam mit dem Kopf, dann verlässt er das Haus, barfuß.
Es sind nicht viele Menschen auf der Straße. Es ist ein kleines Viertel, aber es gibt ebenso reiche wie auch arme Familien dort. Und alle leben in ihrer eigenen Welt.
Der Junge läuft zum Dorfladen, wie er es jeden Tag tut, und kauft die Dinge, um welche seine Mutter ihn bat. Es ist nicht viel: Ein bisschen Brot und einige Früchte, das ist alles.
Auf dem Rückweg geht er an einer Bäckerei vorbei und bleibt davor stehen. Und was er dort drinnen sieht, lässt ihn alles um sich herum vergessen: Dort drinnen sieht er Schokoladentörtchen, Törtchen mit Früchten belegt – und so viele Kekse, noch nie hat er so viele Kekse auf einmal gesehen! Er fühlt sich, als befände er sich in einer Geschichte aus früheren Zeiten, wo alles möglich ist. Er stellt sich vor, dass er Teil dieser Geschichte sei und den ganzen Tag Törtchen isst… doch nach und nach merkt er, dass das nicht die Realität ist und dass es nichts bringt, wenn er von Dingen träumt, die unmöglich sind.
Und dann sieht der Junge sich im Spiegelbild des Schaufensters. So schmutzig ist seine Jacke. Er hat immer nur diese eine Jacke gehabt. Er ist wirklich ein armer Junge, seine Mutter hatte Recht. Aber er erinnert sich auch, dass sie noch etwas sagte: Dass er ein Prinz sei. „Was macht einen Prinzen aus?“ Diese Frage beschäftigt ihn, während er nach Hause läuft.
Der Junge sieht die Bäume und den Raureif auf ihren Ästen. Wie schön das aussieht! Es glitzert wie eine wertvolle Krone. Ja, ein Prinz hat eine glitzernde Krone. Was noch? Er ist reich… nun, diese zwei Dinge haben nichts mit ihm und seinem Leben zu tun. Weder hat er eine Krone, noch ist er reich.
Aber da ist noch etwas: Ein Prinz hat einen Vater, der ein König ist. Seine Mutter hat ihm immer erzählt, dass Gott allmächtig ist und dass er Kinder liebt. Er sorgt sich um sie und möchte sie alle umarmen. Das bedeutet, dass er, der arme Junge, einen reichen Vater haben kann… Darüber muss er eine Weile nachdenken. Es scheint ein Geheimnis zu sein.
Etwas später schaut der Junge in den Himmel und sagt mit leiser aber fester Stimme: „Gott, du bist König, nicht wahr? Ich will dein Kind sein… Weißt du was? Das wäre viel besser als die Törtchen aus der Bäckerei!“



Rivalee Kretschmann



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