Arbeiter im Weinberg
- Kurzgeschichte nach Matthäus 20 -





Arbeiter im Weinberg




Frei nach dem Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg
(Matthäus 20,1-6)

Die Geschichte mag befremden.
Arbeitnehmer, Anwälte, Gewerkschafter und so weiter, werden
sie unterschiedlich interpretieren.
Anfangs war die Geschichte für mich unerträglich.
Ich lasse die Geschichte nun für sich sprechen.
Wer diese Geschichte unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten
liest, hat sie nicht verstanden, ebenso ist sie kein Thema für
einen Gewerkschafter.
Es geht ausschließlich um die Güte Gottes, welche in freien
Stücken verteilt.
Ein neues Jahr hat begonnen, ich blicke zurück und sehe mich
In der folgenden Geschichte zur Gruppe der zuletzt gekommenen.
So wie diese unverdient von der Großzügigkeit des
Weinbergbesitzers profitieren, so habe ich, unverdient von der
Güte Gottes profitiert.
Auch von Gerechtigkeit ist hier nicht die Rede, wenn man darunter
Gleichmacherei versteht.
Lassen wir die Geschichte sprechen:
Da ist der kleine Ort Weinhausen, nur ein paar hundert
Einwohner bevölkern ihn, aber trotzdem ein malerisch schöner
Flecken, mit Bergen und einem guten Boden für Weinanbau.
Und hier hat der Jeremias Riesling sein Weingut, das größte,
soweit man blicken kann.
Die Weine von Jeremias Riesling sind begehrt und gehen in alle
Welt.
Neben dem Weingut unterhielt Riesling noch ein Restaurant, denn
im Sommer kamen oft Busse um an der Weinprobe teilzunehmen.
Jeremias Riesling gilt als gutmütig und sanft, trotzdem auch ein
erfolgreicher Weinhändler.
Riesling war auch Mitglied des örtlichen Gemeindekirchenrats.
Er galt als großzügig und hilfsbereit.
Riesling war ein stämmiger Mann.
Er beschäftigte etliche Leute, er war der größte Arbeitgeber
in der Region.
Und das hielt den Ort Weinhausen am Leben, denn die
Arbeitslosigkeit war auch hier spürbar.
Von Maschinen hielt Riesling nicht allzu viel, er setzte noch
auf Handarbeit.
Die letzten Jahre waren nicht so gut, das Wetter hatte oft den guten
Jahrgang nicht gedeihen lassen.
Zu erwähnen sei noch sein treuer Verwalter Jonas Badener.
Er ging seinem Chef stets zur Hand, war verlässlich und treu.
Im Gegensatz zu seinem Chef war Badener eher ein unscheinbarer
stiller und bescheidener Mann. Aber auch er lebte ganz für das
Weingut und ging in seiner Arbeit auf.
Regelmäßig traf man sich zu Dienstbesprechungen über die
Geschäftslage.
Eines Morgens sagte Riesling zu seinem Verwalter: Badener,
haben sie die Wetterberichte in den letzten Tagen verfolgt?
Ja, sagte Badener, es soll ein guter Sommer werden in diesem
Jahr.
Genau, sagte Riesling und was bedeutet das?
Einen guten Jahrgang Chef, sagte Badener und strahlte über
das ganze Gesicht.
Riesling rieb sich die Hände, ja, wir werden einen guten
Jahrgang haben.
Was haben wir denn noch an Beständen? fragte Riesling.
Bis auf ein paar Rotweine ist so ziemlich alles verkauft, antwortete
Badener. Aber ich habe schon Anmeldungen von 9 Bussen im
Sommer, wegen der Weinproben.
Na, das ist ja prima, sagte Riesling und rieb sich die Hände.
Dann wollen wir mal, fügte Riesling hinzu und jeder ging an seine
Arbeit.
So ging der Sommer dahin, ein ungewöhnlich guter Sommer, der
das Herz der Weinbauern höher schlagen ließ.
Der Verwalter Badener inspizierte täglich die Weinberge und
erstattete seinem Chef Bericht.
Riesling war zufrieden, auf seinen Verwalter war Verlass.
Er war kaum zu ersetzen, denn er, Riesling war oft auf
Geschäftsreisen, dann war Badener für alles verantwortlich, aber
der verstand sein Handwerk.
Bald würde die Zeit kommen, wo man wieder Saisonkräfte
anstellen musste. Aber auch das hatte Badener bislang immer
meisterhaft bewältigt. Oft waren es ausländische Hilfskräfte.
Und jetzt, in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit dürfte es keine
Schwierigkeiten bereiten, Arbeitskräfte zu finden, meinte Riesling
jedenfalls. Und er zahlte übertariflichen Lohn, darum hatte er
auch bislang keine Sorgen um Arbeitskräfte.
Die Zeit kam merklich näher, wo mit der Ernte begonnen werden
musste. Jonas Badener inspizierte das Gut täglich und traf bereits
alle möglichen Vorkehrungen für den Tag X.
Eines Abends sagte Jonas Badener zu seinem Chef: Morgen
müssen wir loslegen. Es ist soweit, die Reben stehen gut und
hängen voller Trauben.
Wir haben ein Problem, zwei Leute haben sich krank gemeldet. Und
einer ist im Urlaub, wir brauchen jetzt wieder dringend die Saisonkräfte.
Dann machen sie sich morgen früh gleich auf die Socken, Badener,
und beschaffen sie Leute.
Was zahlen wir denn? fragte Badener seinen Chef.
Riesling überlegte nicht lange und sagte: 200.- Euro den Tag.
Jawohl Chef, sagte Badener, und verabschiedete sich. Er fuhr noch
schnell über das Gut und gab den Arbeitern Anweisungen für
den nächsten Tag.
Früh am Morgen, bereits um sechs Uhr, erschien Jonas Badener
in dem kleinen Ort Weinhausen und sah ein paar Leute dort
herumstehen.
Wer von euch sucht Arbeit und möchte Geld verdienen, fragte
Badener.
Wie viel gibt es denn, fragte einer aus der Gruppe.
200.- Euro, sagte Badener.
Vier Leute meldeten sich und machten sich sofort auf den
Weg zum Weingut.
Jonas Badener teilte die Leute sofort ein.
Kurz nach acht Uhr erschien der Vorarbeiter bei Jonas Badener
und sagte, es sei nicht zu schaffen bis zum Abend, es müssen
noch mehr Leute ran.
Jonas Badener ging sofort zu seinem Chef.
Badener, sagte Riesling, reden sie nicht so viel, wenn sie Leute
brauchen, dann holen sie sich welche.
Und wie ist die Bezahlung Chef? Wie gehabt, 200.-Euro, sagte
Riesling.
200.- Euro? fragte Badener zurück.
Sie haben verstanden, Badener, oder? sagte Riesling.
Achselzuckend machte sich Badener auf den Weg nach Weinhausen,
wo er kurz vor neun Uhr eintraf.
Schon am Ortseingang begegneten ihm einige Leute.
Habt ihr Lust, Geld zu verdienen? Fragte, fragte Badener die
Gruppe, 200.- Euro für Mithilfe im Weinberg.
Drei Männer meldeten sich spontan und machten sich auf den
Weg.
Kurz vor Mittag suchte Badener den Vorarbeiter auf und erkundigte
sich nach dem Stand der Dinge.
Der Vorarbeiter bemängelte, in der Kelter seien zu wenige Leute.
Ja, sie haben Recht, sagte Badener. Ich werde sehen, was sich
machen lässt.
Also ging Badener wieder zu seinem Chef und schilderte die
Situation.
Chef, sagte Badener ich will sehen, was sich machen lässt.
Was soll ich etwaigen interessierten bieten?
200.- Euro, sagte Riesling, ja 200.- Euro.
Aber Chef, wollte Badener widersprechen, aber sein Chef
winkte ab.
Doch Badener nahm sich ein Herz und Mut und sagte mit dem
Inbrunst der Überzeugung: das ist nicht gerecht.
Die Leute steigen uns aufs Dach, das gibt Ärger. Ohnehin wird
schon gemunkelt unter den Leuten, was die Bezahlung angeht.
Lieber Badener, sagte Riesling, dieses hier ist mein Betrieb und
ich zahle die Gehälter und nicht sie.
Badener sagte nichts mehr, verließ den Raum und fuhr unverzüglich
nach Weinhausen um Arbeiter zu finden.
Es war wenige Minuten vor 12.00 Uhr und die Sonne schien
unerbittlich herab.
Da sah Badener einige Leute unter einem Schatten spendenden
Baum sitzen. Hallo, rief Badener, ich brauche noch ein paar Leute.
200.- Euro, wie wäre es mit euch?
Zwei Leute erhoben sich, die anderen winkten ab.
Auf dem Weingut angekommen teilte Badener seinem Chef mit,
das es um diese Zeit schwierig sei, Leute zu bekommen.
Dann gehen sie um 15.00 Uhr noch einmal los, Badener, sagte
Riesling zu seinem Verwalter.
Jawohl Chef, sagte Badener, aber….
Was aber fragte Riesling zurück?
Die Sache mit der Entlohnung wäre noch zu klären.
Es gibt nichts zu klären, sagte Riesling, 200.-Euro für jeden.
Chef, das gibt einen Arbeiteraufstand, ich mache da nicht mehr
mit, sagte Badener.
Badener setzen sie sich und hören sie mir mal genau zu.
Diese armen Teufel, welche sie da anwerben, haben nichts.
Wenn ich denen jetzt den Tariflohn zahle, reicht es nicht für
ein Wochenende. Und seien wir froh, dass die Leute bei diesen
Temperaturen überhaupt arbeiten.
Aber wie machen wir das den anderen klar, wenn diese erfahren
von der ungleichen Lohnbehandlung? entgegnete Badener.
Ohnehin wird da schon geredet, ob das Ganze nicht ein
Missverständnis wäre.
Ja einige drohten schon mit Rechtsanwalt, wenn es sich bewahrheiten
sollte, das alle den gleichen Lohn empfangen haben.
Besonders die ausländischen Arbeitskräfte werden bedroht.
Badener, lassen sie das alles meine Sorge sein.
Und nun machen sie sich auf den Weg, es ist bald drei Uhr, sehen
Sie zu, das sie noch Leute kriegen, sagte Riesling.
Badener, sein Verwalter, stöhnte, ihm war nicht wohl in dieser
ganzen Sache.
Widerwillig fuhr er in den Ort.
Er hatte Glück, ein paar Leute standen dort herum, welche es sich
nicht zweimal sagen ließen, für 200.- Euro mal eben in den
Weinberg zu gehen.
Als Badener auf dem Weinberg erschien, kam ihm schon der
Vorarbeiter entgegen.
Badener, sagte er, die Sache stinkt mir langsam. Etliche murren
bereits, was die Bezahlung angeht.
Ich weiß, ich weiß, sagte Badener, aber das habe ich nicht zu
verantworten.
Wie sieht es aus, schaffen wir es bis zum Feierabend?
Kann ich noch nicht sagen, sagte der Vorarbeiter.
Gut, dann schaue ich später noch mal rein, sagte der Vorarbeiter
und ging mit den neuen Leuten an die Arbeit.
Kurz vor halb fünf Uhr erkundigte sich Badener noch einmal
nach dem Stand der Dinge, in dem er den Vorarbeiter anrief.
Dieser gab zu verstehen, dass man dringend noch Leute brauche.
Badener begab sich zu seinem Chef und machte entsprechende
Mitteilung.
Sie haben freie Hand, sagte Riesling zu seinem Verwalter, tun sie
was sie für erforderlich halten.
Chef, erlauben sie mir noch eine Frage?
Bitte, sagte Riesling.
Da ist immer noch das Problem mit der Bezahlung, welches auch
mittlerweile für Unruhe sorgt.
Bieten sie den neuen Leuten dasselbe, 200.- Euro, sagte Riesling.
Aber Chef, entgegnete Badener, wir wollen um 18.00 Uhr
Feierabend machen, ich denen doch nicht für eine Stunde….
Sie können, unterbrach Riesling seinen Verwalter.
Chef, ich protestiere gegen diese Art von Ungleichbehandlung.
Wir kriegen den größten Ärger mit den Leuten.
Einige drohten schon mit Klage und so.
Nun hören sie mir mal gut zu, Badener, setzen sie sich.
Die Leute, welche sie da jetzt eventuell noch ran holen sind
allesamt arme Schweine. Wenn ich die jetzt nach Tarif bezahle,
geht jeder mit 6.50 Euro nach Hause und das reicht nicht zum
Leben und nicht zum Sterben.
Wollen sie das verantworten, Badener?
Ich verstehe ja, Chef, aber ob die Leute das auch so sehen?
Das ist mir egal, sagte Riesling, und nun sehen sie zu, das sie
noch Leute auftreiben, sie brauchen doch noch welche, oder?
Badener verließ das Büro seines Chefs und machte sich auf den
Weg.
Ihm war nicht wohl in seiner Haut.
Als er in Weinhausen ankam, hatte er im Handumdrehen einige
Leute angeworben. Denn für 200.- Euro mal eben für eine
Stunde in den Weinberg, wer würde da nicht zulangen? Und
Badener hatte versprochen, um 18.00 Uhr sei Feierabend,
vorausgesetzt, sie würden einen ordentlichen Schlag ran hauen.
Der Vorarbeiter war sichtlich erfreut, als er die Neuankömmlinge sah,
denn etliche, welche schon seit früh arbeiteten wollten auch so
langsam nach Hause.
Ran Leute, wir schaffen es bis sechs Uhr, keine Müdigkeit, feuerte
der Vorarbeiter die Leute an.
Badener fuhr den Weinberg ab, schaute in der Kelter nach und
war zufrieden, bis 18.00 Uhr würde alles fertig sein.
Ihm grauste vor dem Moment, wenn es zu Auszahlung der
Löhne kam.
Punkt 18.00 Uhr erschien der Vorarbeiter bei Badener und meldete,
das nun alles geschafft und unter Dach und Fach sei,
Badener machte seinem Chef sofort Mitteilung, welcher sich
Hocherfreut zeigte.
Lassen sie die Leute zur Lohnauszahlung antreten, sagte
Riesling zu seinem Verwalter. Wir fangen bei den zuletzt gekommenen
an.
Hocherfreut nahm die Gruppe ihren Lohn entgegen und zog davon.
Nun erschienen jene, welche um 15.00 Uhr gekommen waren.
Sie hatten vernommen, was die Gruppe vor ihnen erhalten hatte
und gingen in der Erwartung, wohl 50.-Euro mehr zu bekommen
auf Badener zu. Doch auch sie erhielten nur 200.- Euro pro Person.
Mit langen Gesichtern zogen sie von dannen.
Draußen wurden sie von jenen, welche um 12.00 Uhr gekommen
waren eiligst befragt. Als diese erfuhren, dass bis jetzt alle den gleichen
Lohn empfangen hatten, sagten sie zueinander, das werden wir
uns nicht bieten lassen. Das ist Betrug.
Selbstbewusst schritten sie zur Auszahlung.
Badener gab jedem 200.- Euro und schon entlud sich ein Sturm der
Entrüstung. Meine Herren, sagte Riesling, sie haben erhalten, was
wir aus freien Stücken vereinbart haben.
Und Riesling winkte die Gruppe, welche um 9.00 Uhr erschienen
war, herein.
Badener übergab allen den vereinbarten Lohn.
Wortlos nahm die Gruppe ihren Lohn entgegen und ging, ohne Dank.
Bis auf die Gruppe, welche um 17.00 Uhr gekommen war, sie war
verständlicherweise frohen Herzens von dannen gezogen, hielten
sich noch alle Gruppen diskutierend und palavernd draußen auf.
Nun waren jene dran, welche um 6.00 Uhr gekommen waren.
Unter höhnischem Gelächter der anderen gingen nun auch sie
ins Haus, um ihren Lohn zu empfangen.
Das ist Beschiss, sagte einer, als ihm Badener die 200.- Euro
überreichte. Ebenso beklagten sich die anderen, sie seien geneppt
worden. Unter Flüchen und Beschimpfungen verließ die Gruppe
den Raum.
Draußen kam es zu Tumulten.
Nun machte sich Riesling auf, ging nach draußen, erbat sich Ruhe
und sprach zu den Leuten: Liebe Freunde, das ihr euch nicht
versündigt, niemand ist betrogen worden, jeder hat den vereinbarten
Lohn bekommen, niemand hat mehr verlangt, im Gegenteil, alle
waren erfreut über mein Angebot.
Ihr wollt euch doch nicht über meine Großherzigkeit entrüsten, weil
ich so gütig war? Kann ich nicht mit meinem Geld machen, was ich
will?
Niemand sagte mehr etwas, was auch?




Wolfgang Müller







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